Die Achte Suende
nicht«, stotterte Malberg und blickte sich nach allen Seiten um. Verlegen und einer plötzlichen Eingebung folgend, fügte er hinzu: »Mein Name ist übrigens Andreas Walter.«
»Anicet«, antwortete sein Gegenüber, »nennen Sie mich Anicet. Und jetzt lassen Sie das Geld vom Tisch verschwinden.«
Anicet? Einer der listigsten Dämonen? Seltsamer Name, schoss es Malberg durch den Kopf. Aber er ließ sich seine Unruhe nicht anmerken.
»Also, wann darf ich mit Ihnen rechnen?«, drängte der Mann, der sich Anicet nannte. »Ich darf doch mit Ihnen rechnen?«
»Natürlich«, antwortete Malberg und ließ das Geld in seiner Jackentasche verschwinden. »Sagen wir übermorgen, wenn es Ihnen recht ist.«
»Sie schütteln den Kopf?« Anicet war Malbergs unmerkliche Kopfbewegung nicht entgangen.
»Vor zwei Stunden haben wir uns noch nicht gekannt«, meinte Malberg belustigt, »und jetzt legen Sie mir zwanzigtausend Euro auf den Tisch und hoffen, dass ich mich bei Ihnen melde und eine Leistung erbringe, von der ich nicht einmal sicher bin, ob ich sie erbringen kann.«
Anicet hob die Schultern: »Glauben Sie mir, meine Menschenkenntnis hat mich noch nie im Stich gelassen.«
Malberg zuckte zusammen. Man konnte die Antwort auch als Drohung auffassen. Aber er hatte sich nun einmal für diesen Weg entschieden. Jetzt gab es kein Zurück.
Er musste an die Kette mit dem rätselhaften Medaillon denken, die erst gestern eine neue Spur gelegt und neue Fragen aufgeworfen hatte. Unvermittelt stellte er Anicet die Frage: »Womit beschäftigen Sie sich auf Burg Layenfels? In den Zeitungen war zu lesen …«
»Alles gelogen«, unterbrach Anicet. »Ich hoffe, Sie glauben nicht, was in den Zeitungen steht. Sie kennen doch diese Zeitungsschmierer! Die Bruderschaft der Fideles Fidei Flagrantes wird von hochqualifizierten Wissenschaftlern, Historikern und Theologen getragen, deren Forschungen in der Öffentlichkeit keine Anerkennung fanden. Sei es, weil sie von den Dummköpfen ihrer Umgebung nicht verstanden oder von Konkurrenten diffamiert wurden. Allen gemeinsam ist der Wille, das Wunder des Menschseins zu ergründen. Und dazu zählt natürlich auch das Phänomen des Glaubens. Sie verstehen.«
Malberg begriff nur in Ansätzen, was Anicet meinte. Zweifellos war das geheimnisvolle Buch, das er eben für teures Geld ersteigert hatte, von gewisser Bedeutung für diese Forschungen. Im Augenblick interessierte ihn das alles jedoch wenig. Vielmehr beschäftigte ihn die Frage, welche Verbindung es zwischen der Bruderschaft und Marlene gegeben haben könnte.
»Ach, was ich Sie noch fragen wollte«, meinte er plötzlich, »gibt es in Ihrer Bruderschaft auch Frauen?«
Anicet verzog das Gesicht und antwortete mit einer Gegenfrage: »Sie sind verheiratet?«
»Nein. Es ist nur so eine Frage.«
»Frauen würden in unserer Bruderschaft nur Unruhe stiften. Glauben Sie mir.« Er machte eine künstliche Pause und blickte durch die Glaswand des Lokals ins Freie. »Für den Fall sexuellen Notstands gibt es in Koblenz oder Köln willige Damen. Ich hoffe, Ihre Frage ist damit beantwortet.«
»Ja, natürlich«, antwortete Malberg knapp. Dass Anicet ihn missverstanden hatte, war ihm peinlich.
»Wir sind uns also einig?« Anicet durchbohrte ihn mit seinen Augen.
Malberg nickte zurückhaltend. »Ich hoffe, ich kann Ihnen mit meiner Arbeit dienlich sein.«
»Sie sind genau der richtige Mann!« Anicet versuchte zu lachen, was jedoch irgendwie misslang. »Ein glücklicher Zufall, der uns zusammengeführt hat. Und noch etwas: Verschwiegenheit ist das höchste Gebot unserer Bruderschaft!«
»Ich verstehe.«
»Und bei Ihrer Ankunft auf Burg Layenfels nennen Sie nur das Codewort ›Apokalypse 20,7‹. Das wird Ihnen alle Türen öffnen.«
Malberg merkte, wie seine Hände feucht wurden. Wie unter Zwang murmelte er: »Wenn die tausend Jahre vollendet sind, wird der Satan losgelassen werden aus dem Kerker.«
Seine Worte versetzten Anicet in Erstaunen: »Mir scheint, an Ihnen ist ein Theologe verloren gegangen. Dabei ist nicht einmal allen Theologen der Wortlaut der Geheimen Offenbarung des Johannes gegenwärtig.«
Malberg hob die Schultern und versuchte sein Wissen herunterzuspielen. Sollte er sagen: Die Marchesa, Marlenes beste Freundin, hat, kurz bevor sie auf offener Straße ermordet wurde, ebendieses Codewort genannt? Sollte er dem rätselhaften, blassen Mann gegenüber erklären, dass er sich seither den Kopf zermartert hatte, um zu ergründen, was die
Weitere Kostenlose Bücher