Die Achte Suende
nickte stumm und ohne Caterina anzusehen.
»Ein Vertrag, in dem Sie sich verpflichteten, Stillschweigen zu bewahren.«
Sie nickte erneut.
»Stillschweigen über das Verhältnis, das Excellenza mit Marlene Ammer pflegte.«
Caterina sah, wie die Signora stumm das leere Glas umklammerte. Ihre Hände zitterten. Ebenso ihre Lippen.
»Das war es doch, was Gonzaga veranlasste, sich Ihr Schweigen zu erkaufen?«
Da brach es aus der Signora heraus: »Wenn es nur das gewesen wäre! Das ganze Ausmaß der Geschichte übersteigt jede Vorstellung. Sie müssen wissen: In den Tod von Marlene Ammer ist beinahe die gesamte Kurie verwickelt!«
Für ein paar Augenblicke zweifelte Caterina, ob die Signora unter Alkoholeinfluss nicht den Mund zu voll nahm – schließlich wusste sie nicht, wie viel diese schon getrunken hatte. Doch als die Signora zu reden begann, begriff Caterina sehr schnell, dass sie nicht übertrieben hatte.
Langsam, zeitweise stammelnd und nach Worten ringend berichtete Signora Fellini: »Ich könnte mir vorstellen, dass Sie nach allem, was Sie über Kardinal Gonzaga in Erfahrung gebracht haben, der Ansicht sind, er habe Marlenes Ermordung in Auftrag gegeben. Aber diese Annahme ist falsch!«
Caterina sah sie ungläubig an. Die Lider der Signora waren schwer und nur halb geöffnet.
»Nicht Gonzaga? Aber wer steckte dann dahinter?«
»Gonzaga hat in der Kurie einen Todfeind, den Präfekten des Heiligen Offiziums Kurienkardinal Bruno Moro …«
»Sie meinen Moro … warum soll gerade Moro …?«
Die Fellini gab sich größte Mühe, nüchtern zu wirken. Trotzdem wirkte ihre Sprache schwammig, als sie antwortete: »Natürlich blieb das sündhafte Verhältnis des Kardinalstaatssekretärs im Vatikan nicht verborgen. In gewissen Kreisen war es wochenlang Tagesgespräch. Schließlich trat ein geheimes Gremium unter Kardinal Moro zusammen, um zu beratschlagen, wie man dem Problem begegnen könne. Seit Jahrhunderten hatte es in den Mauern des Vatikans keinen solchen Skandal mehr gegeben. Und wenn er bekannt würde, meinte Moro, könnte er der Kirche mehr Schaden zufügen als der Mönch aus Wittenberg. Also müsse alles unter größter Geheimhaltung vonstatten gehen.«
»Aber warum richtete Moro seine Pläne nicht gegen seinen Erzfeind Gonzaga?« Caterina rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her.
»In der Tat zielten die ersten Überlegungen wohl dahin, Gonzaga auf irgendeine Weise zu beseitigen. Aber Giovanni Sacchi, der Leiter des Geheimarchivs und Vertraute Moros, gab zu bedenken, dass die Erinnerungen an den mysteriösen Tod Johannes Pauls I. noch allzu gegenwärtig seien und die öffentliche Diskussion aufs Neue entfachen würden. Man wollte keinen Skandal.«
»Das kann ich mir denken«, bemerkte Caterina. »Wenn allerdings herauskommt, dass Moro den Auftrag gab, Marlene zu ermorden, ist der Skandal mindestens ebenso groß!«
»Das wird nicht geschehen.«
»Warum nicht?«
»Weil es nie einen Mordauftrag gab.«
»Das begreife ich nicht.«
»Sie werden es gleich verstehen. – Kann ich noch einen Schluck haben?« Signora Fellini schob Caterina ihr leeres Glas hin.
In der Tat schien der Amaretto ihren Redefluss zu beschleunigen: »Es war Monsignor Sacchi, der plötzlich die Behauptung aufstellte, für das schändliche Verhalten des Kardinalstaatssekretärs gebe es nur
eine
Erklärung: Das Weib sei von einem Dämon besessen und habe Gonzaga verhext.«
»Ach, so einfach ist das! Dass ich da nicht gleich draufgekommen bin«, rief Caterina mit Ironie in der Stimme. »Diese frommen alten Männer im Vatikan sind immer noch der Ansicht, dass die Frau alles Unheil über die Erde gebracht hat.«
»Während einer Dienstreise des Kardinalstaatssekretärs«, fuhr die Fellini unbeeindruckt fort, »gab Moro dem Exorzisten Don Anselmo den schriftlichen Auftrag, an Marlene Ammer den großen Exorzismus vorzunehmen – notfalls mit Gewalt.«
»Mein Gott«, sagte Caterina leise.
»Natürlich leistete Marlene heftigen Widerstand. Ich habe mit eigenen Ohren ihre Schreie gehört. Schließlich war ich die Hausbeschließerin, und mir entging nichts, was im Haus Via Gora 23 vorging. Ich hatte drei Männer hinaufgehen sehen. Deshalb lauschte ich an der Tür. Als ich die inbrünstigen Beschwörungsformeln des Exorzisten hörte, wurde mir klar, dass der Signora der Teufel ausgetrieben werden sollte.«
»Glauben Sie an solchen Unfug?«
Die Fellini schüttelte den Kopf. Ihre Sprache wurde deutlich langsamer: »Ich ahnte
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