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Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Titel: Die Adler von Lübeck: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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der Wärme hinterhertrug . Sie hatte Pflanzen neben den Ofen gestellt oder mitten in den Garten gepflanzt, nachdem zuvor schöne Obstbäume abgeschlagen worden waren, damit ihre Blätter keinen Schatten werfen konnten. Zuletzt waren sie angeblich auf dem Dachboden gelandet. Kein Wind, viel Licht und so viel Wärme wie in Lübeck nur möglich war, aber keine Wärme von Öfen – diese Mischung hielt die Gärtnerin für hoffnungsvoll.
    »Sie sollte sich mit unserem Gärtner unterhalten«, schlug die Prinzessin vor. »Er kennt alles, was darüber geschrieben wurde. Er wird ihr helfen können.«
    Einige Minuten unterhielt die Prinzessin die Frauen mit den jüngsten Anekdoten über den zwergwüchsigen Gelehrten, dessen wichtigtuerische Art allgemein bekannt war.
    Sie mieden das Thema so lange wie möglich. Aber Anna Rosländer wollte nicht erscheinen, auch kein Bote mit einer Nachricht. So ging es ohne Anna um das, was alle Lübecker umtrieb . Seltsamerweise war man gleich beim Testament. Hedwigs Mann, der Brauer, war gut bekannt mit einem Rechtsanwalt. Dem war vor einigen Monaten die Frau durchgebrannt, angeblich lebte sie jetzt auf Gotland in wilder Ehe mit einem Kaufmann. Der verlassene Rechtsanwalt hatte sich, seitdem er allein war, auf Ehestreitigkeiten und Testamente spezialisiert. Angeblich wollte er seine Mandanten davor bewahren, sein trauriges Schicksal zu erleiden. Der gute Mann ging vielen Leuten auf die Nerven, indem er ihre zufriedenstellende Lebensführung als Täuschung bezeichnete, die jederzeit mit großem Getöse auseinanderbrechen könnte.
    In diesem Zusammenhang ging er auch mit dem Testament von Rosländer hausieren. Das durfte er nicht tun, Verschwiegenheit gehörte zu seinen vornehmsten Berufspflichten. Streng genommen redete er erst seit einer Woche und nur im privaten Kreis. Aber wenn fünf Männer etwas im Vertrauen erfahren, und jeder von ihnen hat zu Hause eine Frau, und diese Frau spürt, ob es ihren Mann drängt, sich von einem Geheimnis zu erleichtern, und die Frau hat fünf Freundinnen, denen sie im Vertrauen erzählt, was sie von ihrem Mann erfahren hat – wenn das einige Tage so geht, kennt am Ende der ersten Woche jeder, der nicht flüchtet, das Geheimnis. Wenn die Lübecker sich auch als solide bezeichneten – es war nicht so, dass sie der Begegnung mit einem Geheimnis erschreckt auswichen. Besser, sie wussten es, als wenn ein Neugieriger davon erfuhr.
    Hedwig Wittmer hatte geschlagene vier Minuten bohren müssen, bevor ihr Gatte schwach geworden war. »Er wird mit den Jahren immer störrischer«, klagte sie. »Früher hat ein Blick genügt. Jetzt will der Herr gebeten werden.«
    Wenn sich in Lübeck ein Paar versprach und es existierten Werte, die ein vorausschauendes Handeln nahelegten , so geschah Folgendes: Sie setzten einen Ehevertrag auf, in fast jeder Ehe, in der nicht gerade ein Hausierer eine Kräuterhexe ehelichte, geschah dies. In dem rechtsgültigen Dokument wurde das Vermögen der Frau penibel festgehalten. Dies blieb so lange ohne Folgen, wie die Ehe hielt. Starb der Mann oder kam es zur Scheidung, durfte die Frau alles behalten, was ihr von Anfang an gehört und was der Mann ihr geschenkt hatte. Von den Gütern, die im Verlauf der Ehe angeschafft worden waren, verblieb der Witwe ein Drittel. Nach dem Tod des Mannes erbten auch die Kinder. Solange sie sich mit ihrer Mutter gut verstanden, erwuchsen daraus keine Probleme. Anderenfalls konnten die Verhältnisse giftig werden.
    Wenn der Mann ein Testament aufgesetzt hatte, wurde alles leichter. Rosländer hatte einen Letzten Willen in Schriftform hinterlassen. Angeblich enthielt er manche Albernheiten, die er sich wohl schuldig war. Aber wo es auf Punkt und Komma ankam, gab es keinen Zweifel: Anna Rosländer erbte das Unternehmen ihres Mannes. Sie sollte die Kinder auszahlen und mit dem Unternehmen verfahren, wie es ihr beliebte.
    »Um das alles zu erfahren, habt Ihr nur vier Minuten gebraucht?«, sagte Sybille beeindruckt.
    Hedwig lächelte geschmeichelt. Einen Moment spielte sie mit dem eitlen Gedanken, den Frauen Geheimnisse zu offenbaren, in die sie zwei Tage Arbeit investiert hatte.
    »Das ist gut«, sagte Trine Deichmann. »Ich meine, das hört sich klar an. Oder gibt es Untiefen, die nur ein Rechtskundiger versteht?«
    »Mein Holder sagt ›nein‹«, antwortete Hedwig. »Wenn Anna weitermachen will, kann ihr das niemand verwehren.«
    »Könnte er es ihr denn schwermachen? Sind Schikanen möglich?

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