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Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Titel: Die Adler von Lübeck: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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Gemeinheiten?«
    »Die sind immer möglich, solange Männer im Spiel sind. Schnabel hat sich darauf gefreut, Anna in den Ruhestand zu schicken. Er könnte zornig sein.«
    »Aber dem geht es doch gut. Er kann zweimal am Tag warm essen!«
    Alle blickten Sybille an.
    »Redet schon«, murmelte sie eingeschüchtert. »Was habe ich übersehen?«
    »Ihr habt übersehen, dass Schnabel nicht 20 Mal am Tag warm essen kann. Und solange er das nicht kann, wird er zornig sein.«
    »Aber das ist doch nicht möglich! Niemand kann 20 Mal am Tag   … ich verstehe. Ihr meint, es geht ihm gar nicht um das Essen. Ihm geht es um die Macht und die Größe. Er will das Sagen haben.«

11
    Plötzlich stand sie in der Tür, niemand hatte sie kommen hören. Sie war erst auf den zweiten Blick zu erkennen, denn sie trug die Tracht einer Frau vom Land, die auf dem Markt Rüben und Gemüse anbietet.
    »Entschuldigt meinen Aufzug«, murmelte Anna Rosländer und pellte sich aus den Jacken. »Aber es ging nicht anders. Ich muss eine Maskerade aufführen, wenn ich mein Haus verlassen will.«
    Die Magd war im Hof in die Kutsche gestiegen und durch den Bogen auf die Straße gefahren. Der Kutscher fuhr nicht zu langsam und nicht zu schnell, sodass der Pulk der Neugierigen die Kutsche verfolgte, in der Hoffnung, einen Blick auf die Witwe zu erhaschen. Derweil war Anna durch einen der hinteren Eingänge entschwunden.
    Die Anspannung fiel schnell von ihr ab, sie konnte schon wieder lachen.
    »Es ist doch zu albern«, sagte sie, »wohin soll das noch führen? Muss ich aus Lübeck fortziehen?«
    »Schlagt Euer Lager in der Werft auf«, riet Sybille Pieper. »Da sind sie ja sowieso schon.«
    Irgendetwas an dieser Bemerkung war nicht logisch, aber niemand wollte jetzt nachforschen. Stattdessen kamen Kleinigkeiten auf den Tisch: aufgeschnittene Kuchen, belegte Brote, Zaubereien mit Zucker. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr, dass man sich in einem wohlhabenden Haushalt befand. Trine Deichmann war als Frau eines Gastwirts abwechslungsreicheres Essen gewohnt als die meisten Lübecker. Sybille aß, was auf den Tisch kam. Vor allem aß sie viel und schnell, denn sie wusste nicht, wann sie wieder so etwas Leckeres aufgetischt bekommen würde.
    Anna Rosländer entschuldigte sich noch einmal, um dann zornig zu sagen: »Was mache ich eigentlich? Soll ich mich für die unverschämte Brut entschuldigen!?«
    Trine sagte: »Es tut mir leid, dass Ihr so viel Ungemach erleiden müsst. Wir wären gern zu Euch gekommen.«
    »Daran zweifle ich nicht. Aber Ihr würdet Euch damit Ärger einhandeln. Ich sehe nicht ein, warum die Freundlichen unter den Aufdringlichkeiten der Unfreundlichen leiden sollen.«
    Keine stellte die Frage, die jeder auf der Zunge brannte. Anna Rosländer blickte in alle Gesichter und sagte lachend: »Ich rede ja schon.«
    Sie brauchte viel Zeit, bevor die Worte in Fluss kamen. Das Angebot von Schnabel, die Werft zu übernehmen, war nicht der Anfang gewesen, obwohl alle so taten, als wäre der Tag des Stapellaufs der Schöpfungstag gewesen. Das aber war der Todestag von Rosländer gewesen und im Grunde nicht einmal der, sondern der Tag, an dem Anna den Hallodri in Stralsund kennengelernt hatte.
    Anna spürte, dass ihr niemand folgen konnte. »Entschuldigt, ich rede geheimnisvoll daher! Ich bin selbst noch auf der Suche nach einer Erklärung.«
    Schnabels Angebot, für 4.500 Taler das aktive Leben einzustellen, fiel in die Zeit, in der Anna darüber nachdachte, was nun werden sollte. Die rechtliche Lage war dabei nicht ausschlaggebend. Anna kannte ihre Lage und ihre Rechte. Sie wusste, dass sie Möglichkeiten besaß. Aber sie war nicht fähig, diese Möglichkeiten zu benennen, geschweige denn zu packen. »Ich wollte Klarheit in meine Gedanken kriegen und es ging nicht. Ich wollte meine Gedanken aufschreiben und es kam nur dummes Zeug dabei heraus.«
    Spaziergänge, langes Stehen am Fenster, dann am nächsten Fenster, zurück zum ersten, bis es dunkel wurde und man sich einreden konnte, für heute sei es genug.
    Sie hatte Angst. Sie hatte Möglichkeiten und gleichzeitig Angst vor den Möglichkeiten. Bis gestern war sie die Frau des Rosländer gewesen. Eine, die man ernst nahm. Anna hatte nicht das Leben eines Hausmütterchens gelebt. Wer eine halbe Flasche Branntwein   austrinkt und danach noch auf eigenen Füßen steht, ist kein Hausmütterchen. Sie war die Frau von Rosländer. Sie musste mithalten, sonst hätte er sie verachtet. Aber sie hielt nicht nur

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