Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
Vom Netzwerk:
Veranstaltungen. Ich war selbst einmal bei einer Kundgebung gewesen, im Februar 1933, als zweihunderttausend Menschen in den Lustgarten geströmt waren, um gegen Hitler zu demonstrieren. Vielleicht war das der Grund, aus dem die Nazis, nachdem sie an die Macht gekommen waren, den Platz pflastern und die berühmte Reiterstatue von Friedrich Wilhelm II. hatten entfernen lassen - damit sie noch größere Militärparaden und Kundgebungen zur Unterstützung ihres «Führers» abhalten konnten.
    Als ich nun dort eintraf, vor mir diese große freie Fläche, fiel mir wieder ein, dass die Statue ja entfernt worden war, und so blieb mir nichts anderes übrig, als zu raten, wo sie früher gestanden hatte - um mich dorthin zu begeben, sodass Kriminalinspektor Richard Börner wenigstens die Andeutung einer Chance hatte, mich zu finden.
    Ich entdeckte ihn, bevor er mich sah. Er war ein großgewachsener, schmaler, blonder Jüngling Ende zwanzig mit einer Aktentasche unter dem Arm in einem grauen Anzug und mit glänzenden schwarzen Stiefeln, die aussahen, als wären sie auf der Polizeischule in Havel für ihn maßgefertigt worden. Seine vollen Lippen waren eingerahmt von tiefen Lachfalten, seine Nase war ein wenig verformt, und über eine Augenbraue lief eine dicke Narbe wie eine Brücke über einen goldenen Strom. Wären nicht seine völlig unversehrten Ohren gewesen, er hätte ausgesehen wie ein vielversprechendes Boxtalent im Mittelgewicht, das vergessen hatte, seinen Mundschutz auszuziehen. Er sah mich und kam ohne Eile näher. «Hallo.»
    «Sind Sie Gunther?»
    Er zeigte nach Südosten, in Richtung Stadtschloss. «Ich glaube, er hat in diese Richtung geblickt. Friedrich Wilhelm der Dritte, meine ich.»
    «Sind Sie sicher?»
    «Ja.»
    «Gut. Ich mag es, wenn ein Mann seine Meinung vertritt.»
    Er wandte sich um und deutete nach Westen. «Sie haben ihn umgesetzt. Jetzt steht er dort hinten, hinter den Bäumen. Wo ich die letzten zehn Minuten gewartet habe. Ich beschloss, hierherzukommen, als mir der Gedanke kam, dass Sie vielleicht nichts davon wissen.»
    «Wer rechnet schon damit, dass sich ein steinerner Reiter aus dem Staub macht?»
    «Irgendwo müssen sie ihre Aufmärsche abhalten, schätze ich.»
    «Das ist Ansichtssache. Kommen Sie, setzen wir uns. Ein Polizeibeamter steht niemals, wenn er sitzen kann.»
    Wir gingen zum Alten Museum und setzten uns auf die Stufen vor der langen Fassade ionischer Säulen.
    «Ich komme gern hierher», sagte er. «Es erinnert einen daran, was wir einmal waren. Und was wir wieder sein werden.»
    Ich sah ihn ausdruckslos an.
    «Sie wissen schon», sagte er. «Deutsche Geschichte.»
    «Die deutsche Geschichte ist nichts weiter als eine Abfolge lächerlicher Bartmoden.»
    Börner lächelte ein schiefes, verlegenes Lächeln wie ein Schuljunge. «Der hätte meinem Onkel sicher gefallen», sagte er.
    «Sie meinen nicht Liebermann von Sonnenberg.» «Das ist der Onkel meiner Frau.»
    «Als wäre der Onkel Ihrer Frau nicht schon genug. Wer ist denn Ihr Onkel? Hermann Göring?»
    Er blickte mich dümmlich an. «Ich will doch nur als Kriminaler arbeiten. Ein guter Polizist sein.»
    «Ich habe eine Sache gelernt darüber, ein guter Polizist zu sein: Es rentiert sich eher, ein schlechter zu sein. Wer ist denn jetzt Ihr Onkel?»
    «Spielt es eine Rolle?»
    «Nun, Liebermann wollte, dass ich Ihren Onkel spiele, sozusagen. Und ich neige zur Eifersucht. Wenn Sie noch einen Onkel haben, der genauso wichtig ist wie ich, dann will ich das wissen. Abgesehen davon bin ich auch sehr neugierig. Deshalb bin ich Detektiv geworden.»
    «Er arbeitet beim Propagandaministerium.»
    «Sie sehen Jupp dem Krüppel nicht ähnlich, also reden Sie offensichtlich von jemand anderem.»
    «Börner. Dr. Karl Börner.»
    «Heutzutage scheint jeder einen Doktor zu brauchen, um andere Menschen zu belügen.»
    Er grinste erneut. «Sie machen das nur, weil Sie wissen, dass ich in der Partei bin, habe ich recht? Das ist nur gespielt?»
    «Ist nicht jeder in der Partei?»
    «Sie sind es nicht.»
    «Irgendwie bin ich nie dazu gekommen. Jedes Mal, wenn ich mich um Aufnahme bewerben wollte, stand so eine riesige Schlange von Leuten draußen vor dem Partei-Hauptquartier.»
    «Manche fühlen sich in der Menge sicherer.»
    «Ich war in den Schützengräben, mein junger Freund, und lassen Sie sich von mir gesagt sein, ein Bataillon ist genauso schnell vernichtet wie ein einzelner Mann. Es waren die Generäle, nicht die Juden, die dafür

Weitere Kostenlose Bücher