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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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was zum Teufel wir dachten.»
    Er lachte. «Ich versuche doch nur zu erklären, warum wir die Regierung brauchen, die wir jetzt haben.»
    «Richard, wenn die Deutschen ihre Regierung brauchen, um die Dinge zu regeln, dann sitzen wir wirklich tief in der Tinte. Ich glaube, letztlich lassen sich die Deutschen einfach regieren. Man muss nichts weiter tun als einmal im Jahr ein neues Gesetz machen, das da lautet: »
    Wir fuhren über den Karlsplatz und in die Luisenstraße und passierten das Denkmal von Rudolf Virchow, dem sogenannten Vater der Pathologie und zugleich frühen Fürsprecher rassischer Trennung und Reinheit - wahrscheinlich der einzige Grund, weshalb sein Denkmal nicht aus dem Weg geräumt worden war. Gleich neben dem Krankenhaus der Charite befand sich das Pathologische Institut. Wir parkten den Wagen und betraten das Gebäude.
    Ein rothaariger Assistenzarzt führte uns hinunter in die alte Leichenschau, wo ein Mann mit einer Drucksprühpistole kurzen Prozess mit dem Insektenleben der Saison machte. Ich fragte mich kurz, ob das Zeug auch gegen Nazi-Geschmeiß wirkte. Der Mann mit der Sprühpistole führte uns in den Kühlraum, der, nach dem Geruch zu urteilen, nicht kalt genug war. Er vernebelte die Luft mit seinem Insektizid und führte uns zwischen einem Dutzend mit weißen Laken bedeckten Leichen auf Seziertischen herum.
    Ich nahm meine Zigaretten hervor und bot Börner eine an.
    «Ich rauche nicht.»
    «Zu schade. Viele Leute glauben auch heute noch, wir hätten im Krieg alle geraucht, um unsere Nerven zu beruhigen, aber hauptsächlich ging es darum, den Gestank der Toten zu überdecken. Sie sollten anfangen mit Rauchen, Richard, und nicht nur, um in einer übelriechenden Situation wie dieser zu bestehen. Sie werden nämlich herausfinden, wenn Sie erst mal ein richtiger Detektiv sind, dass die meiste Zeit über so gut wie nichts passiert.»
    Ich schlug das Laken zurück und starrte auf einen Toten, der so groß war wie Schmelings älterer Bruder und so blass wie ungebackener Teig. Wenn man ihn so ansah, erwartete man fast, dass jemand ihn in einen Ofen schaufelte und ihn so lange buk, bis er wieder lebte. Die Haut in seinem Gesicht sah aus wie eine Hand, die zu lange im Badewasser gelegen hat. Sie war verschrumpelt wie eine Aprikose. Der Pathologe hatte seine Arbeit bereits getan. Eine provisorisch zugenähte thorakale Narbe zog sich vom Kinn bis hinunter zur Schamhaarregion. Die Narbe führte mitten hindurch durch die dreieckige Markierung auf der breiten Brust des Mannes. Ich nahm die Zigarette aus dem Mund und beugte mich vor, um die Markierung genauer in Augenschein zu nehmen.
    «Keine Tätowierung», sagte ich. «Eine Brandnarbe. Sieht aus wie die Spitze eines Bügeleisens, meinen Sie nicht?»
    Börner nickte. «Wurde er gefoltert?»
    «Gibt es ähnliche Narben auf seinem Rücken?»
    «Ich weiß es nicht.»
    Ich packte den Toten an der breiten Schulter. «Dann lassen Sie uns den Mann umdrehen. Sie nehmen die Hüfte und ein Bein. Ich drehe den Rumpf. Wir ziehen ihn auf uns zu, und dann beuge ich mich vor und untersuche seinen Rücken.»
    Es war, als versuchten wir, einen nassen Sack voller Sand zu bewegen. Ich konnte nichts auf seinem Rücken sehen, außer glatten Haaren und einem Muttermal, doch als der Leichnam gegen uns lehnte, stieß Börner unvermittelt einen Fluch aus.
    «Wird es Ihnen zu viel, Richard?»
    «Irgendetwas ist aus seinem Penis ausgelaufen und hat mein Hemd besudelt», sagte er und wich einen hastigen Schritt vom Untersuchungstisch zurück, um voller Entsetzen auf den großen braungelben Fleck zu starren, der sich mitten auf seinem Bauch abzeichnete. «Scheiße!»
    «Nah dran - aber nicht ganz.»
    «Das war ein nagelneues Hemd! Was mache ich jetzt nur?» Er zog den Stoff von seiner Haut weg und seufzte.
    «Haben Sie kein braunes als Ersatz in Ihrem Anhänger?», witzelte ich.
    Börner blickte mich erleichtert an. «Gute Idee! Ja, ich hab eins dabei!»
    «Dann seien Sie jetzt still und passen Sie auf. Unser Freund hier wurde nicht gefoltert, da bin ich mir sicher. Jeder, der ein heißes Bügeleisen an ihm benutzt hätte, hätte dies mehr als einmal getan, um ihm Schmerzen zuzufügen.» «Warum also dann?»
    Ich hob eine Hand und bog die Finger zu einer Faust, die so groß war wie der Benzintank auf einem kleinen Motorrad.
    «Sehen Sie sich diese Pranken an. Das Narbengewebe auf den Knöcheln. Insbesondere hier, an der Wurzel jedes kleinen

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