Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
Vom Netzwerk:
einen untergebenen Sergeant gehabt, der ein ausgesprochen talentierter Faustkämpfer gewesen war und mich ein oder zwei Dinge gelehrt hatte. Beispielsweise, wie man der Gefahr rechtzeitig aus dem Weg geht. Das Wichtigste, um einen Kampf zu gewinnen, ist, nicht getroffen zu werden. Der Schlag, der August Krichbaum auf die Bahre geworfen hatte, war ein Glückstreffer gewesen - oder ein nicht ganz so glücklicher, je nachdem, von welcher Warte man es betrachtete. Und deswegen hoffte ich, dass ich es vermeiden konnte, den Mann stärker zu treffen, als vermutlich notwendig war. Er holte erneut aus. Bis jetzt hielt ich mich ganz prächtig.
    Mrs. Charalambides besaß genügend Verstand, um sich mehrere Schritte von uns zurückzuziehen. Jedenfalls kam es mir so vor.
    Sein dritter Schlag traf mich knapp, wie ein flacher Stein, der über die Wasseroberfläche eines Sees tanzt. Im gleichen Moment knurrte er etwas, das klang wie «Judenfreund», und für eine Sekunde dachte ich, dass er damit sogar recht hatte. Ich wollte verdammt sein, wenn Mrs. Charalambides nicht ganz entzückend war. Und es ärgerte mich außerordentlich, dass sie diesen rabiaten Antisemitismus aus so großer Nähe ertragen musste.
    Außerdem verspürte ich eine gewisse Verpflichtung gegenüber der kleinen Menschenmenge, die ihr Training - oder was sie sonst gerade im Studio gemacht hatte - unterbrochen hatte und neugierig herangekommen war, um zu sehen, was wohl als Nächstes passierte. Also feuerte ich eine linke Gerade auf Primos Nase ab. Sie stoppte ihn, als wäre er gegen eine unsichtbare Wand gelaufen. Eine zweite entmutigende Gerade landete wieder dort, und die dritte ließ seinen Kopf auf den Schultern wackeln wie bei einem alten Teddybär.
    Inzwischen blutete er im Gesicht, dort, wo vorher seine Nase gewesen war. Als ich sah, dass meine Klientin sich in Richtung Ausgang entfernte, beschloss ich, der Sache ein Ende zu machen, und versetzte ihm einen - ein klein wenig zu harten - Schwinger mit meiner Rechten. Das heißt, zu hart für meine Faust. Noch während Primo umkippte wie ein gefällter Telegraphenmast, schwoll meine Hand bereits an. Dann krachte etwas zu Boden wie ein Sack Kokosnüsse - wahrscheinlich Primos Schädel -, und der Kampf war vorbei.
    Für einen Moment stand ich über meinem jüngsten Opfer wie der Koloss von Rhodos, oder vielleicht auch wie der zu groß gewachsene Türsteher vor der Rio-Rita-Bar die Straße hinunter. Die umstehenden Zuschauer murmelten anerkennend - nicht wegen meines Sieges, sondern wegen des wohlplatzierten Schlages. Indem ich immer noch meine schnell anschwellende Hand schüttelte, beugte ich mich besorgt zu ihm hinunter, um nachzusehen, wie viel Schaden ich angerichtet hatte. Ein anderer Mann kam mir zuvor. Es war der Kerl mit dem Gesicht wie ein Medizinball.
    «Ist alles in Ordnung mit ihm?», fragte ich nervös.
    «Keine Sorge», kam die Antwort. «Sie haben ihm gegeben, wonach er gebettelt hat, das ist alles. Lassen Sie ihm ein paar Minuten, und er erzählt uns allen, dass Sie einen Glückstreffer gelandet hätten, weiter nichts.»
    Er nahm meine Hand und untersuchte sie.
    «Sie brauchen Eis auf diese Flosse, kein Vertun. Hier, kommen Sie mit. Aber beeilen Sie sich - bevor dieser Idiot hier wieder aufwacht. Frankel ist der neue Boss in diesem Laden.»
    Ich folgte meinem Samariter in eine kleine Küche, wo er einen Eisschrank öffnete und mir einen Beutel voller Eiswürfel reichte.
    «Stecken Sie die Hand da rein, solange Sie es aushalten», verordnete er.
    «Danke.» Ich steckte meine Hand in den Beutel. Er schüttelte den Kopf. «Sie haben gesagt, Sie suchen nach dem Türken?» Ich nickte.
    «Er steckt doch wohl nicht in Schwierigkeiten?» In seinem Mundwinkel steckte eine Zehn-Pfennig-Lilliput, die er nun herauszog und kritisch inspizierte.
    «Nicht, dass ich wüsste. Ich wollte ihn lediglich bitten, sich ein Foto anzusehen, und ihn fragen, ob er den Kerl darauf erkennt.»
    «Ja. Ich hab die Visage gesehen. Kommt mir bekannt vor. Aber mir fällt nicht ein, wer das sein könnte.» Er klopfte sich gegen die Schläfe, als könnte er sich dann besser erinnern. «Ich bin ein wenig zerstreut dieser Tage. Mein Gedächtnis funktioniert nicht mehr so richtig. Solly ist jedenfalls der richtige Mann für so was. Er kannte jeden Boxer, der jemals deutsche Handschuhe übergestreift hat, und jede Menge andere obendrein. Es ist eine Schande, was sie mit ihm gemacht haben hier. Als die Nazis ihr neues Gesetz verkündet

Weitere Kostenlose Bücher