Die Adlon - Verschwoerung
haben, nach dem Juden in Sportclubs nicht mehr erlaubt sind, blieb Solly nichts anderes übrig, als zu verkaufen. Und weil er verkaufen musste, blieb ihm nichts anderes übrig, als zu nehmen, was dieser Bastard Frankel ihm bot. Es war nicht einmal genug, um die Schulden bei der Bank zu begleichen. Heutzutage besitzt Solly nicht einmal mehr einen eigenen Pisspott.»
Ich konnte die Kälte nicht länger ertragen und zog meine Hand aus dem Eisbeutel zurück.
«Was macht die Hand?» Er steckte die Lilliput wieder in den Mund und untersuchte mich.
«Immer noch geschwollen», sagte ich. «Vor Stolz wahrscheinlich. Ich habe ihn fester getroffen, als nötig gewesen wäre. Zumindest sagt das diese Hand.»
«Unsinn. Sie haben ihn kaum erwischt. So ein großer Kerl wie Sie. Wenn Sie die Schulter in den Schlag gelegt hätten, hätten Sie ihm vielleicht den Kiefer gebrochen, aber so? Entspannen Sie sich, er hat es so gewollt. Eine richtig gute Gerade, damit haben Sie ihn gefällt, mein Freund. Sie sollten vielleicht mit dem Boxen anfangen. Ein Kerl wie Sie könnte es weit bringen. Mit dem richtigen Trainer natürlich. Mit mir vielleicht. Sie könnten vielleicht sogar Geld damit verdienen.»
«Danke, aber nein. Wenn ich damit Geld verdiene, verliere ich den Spaß daran. Ich bin strikter Amateur, wenn es darum geht, Leute zu verprügeln, und ich möchte, dass es so bleibt. Abgesehen davon, solange die Nazis das Sagen haben, wäre ich immer nur der Zweitbeste.»
«Verstehe.» Er grinste. «Sieht nicht aus, als wäre sie gebrochen. Aber sie tut bestimmt noch ein paar Tage weh.» Er ließ meine Hand los.
«Wo lebt Solly dieser Tage?»
Der Mann sah mich erstaunt an. «Früher hat er hier gewohnt. In einer kleinen Wohnung über dem Studio. Aber als er den Laden verlor, war er auch sein Zuhause los. Das letzte Mal, als ich vom Schrecklichen Türken gehört habe, hat er im Grunewald in einem Zeltlager gewohnt, zusammen mit ein paar anderen Juden, die unter den Nazis ihr Zuhause verloren haben. Aber das ist ein halbes Jahr her, vielleicht noch länger, und ich weiß nicht, ob er noch dort ist.» Er zuckte die Schultern. «Andererseits, wo sonst kann er schon hin? Es ist schließlich nicht so, als hätten wir in diesem Land noch eine Wohlfahrt für die Juden, stimmt's? Und die Heilsarmee ist fast genauso schlimm wie die sa.»
Ich nickte und gab ihm den Eisbeutel zurück. «Danke, Meister.»
«Bestellen Sie ihm Grüße von mir, wenn Sie ihn sehen. Buckow ist mein Name. Wie die Stadt, nur hässlicher.»
Kapitel 15
Mrs. Charalambides betrachtete eines der Schaufenster des KaDeWe, wo ein neuer gasbetriebener Bosch-Waschautomat mit eingebautem Wringer ausgestellt war. Mrs. Charalambides war keine Frau, die ich mir beim Wäschewaschen vorstellen konnte, ganz und gar nicht. Wahrscheinlich hielt sie den Apparat für einen Phonographen. Er sah einem Phonographen jedenfalls nicht unähnlich.
«Wenn die Vernunft versagt, ist eine Faust manchmal sehr nützlich», sagte ich.
Für einen Augenblick begegnete sie meinem Blick im Spiegel der Schaufensterscheibe, dann starrte sie wieder die Waschmaschine an.
«Vielleicht sollten wir sie kaufen, damit sich der Kerl im Studio das Maul waschen kann», sagte ich kleinlaut.
Sie presste die Lippen aufeinander, als versuchte sie mit aller Macht, nicht mit dem herauszuplatzen, was sie dachte. Ich wandte ihr den Rücken zu, starrte über den Wittenbergplatz hinaus und steckte mir eine Zigarette an.
«Berlin war früher eine zivilisierte Stadt, wo sich die Menschen höflich und rücksichtsvoll begegnet sind. Meistens jedenfalls. Aber Kerle wie dieser Frankel erinnern mich daran, dass Berlin nur eine Idee von einer Stadt ist, auf die ein Elbslawe in seinem Sumpf mal gekommen ist.»
Ich riss mir die Zigarette von den Lippen und starrte hinauf in den blauen Himmel. Es war ein wunderschöner Tag. «Schwer zu glauben an einem Tag wie diesem. Goethe hatte seine eigene Theorie, warum der Himmel blau ist. Er glaubte nicht an Newtons Vorstellung, dass Licht eine Mischung aus verschiedenen Farben ist. Goethe dachte, es hätte etwas mit der Interaktion von weißem Licht und dem Gegenteil, der Dunkelheit, zu tun.» Ich nahm einen tiefen Zug. «Ganz schon düster in Deutschland, stimmt's? Vielleicht ist das der Grund, weshalb der Himmel so blau leuchtet. Vielleicht nennen sie es deshalb Hitlerwetter. Weil es so viel Dunkelheit enthält.»
Ich lachte über meine eigene Idee, und mir wurde bewusst, dass ich
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