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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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genau dreihundertfünfundsechzig Tage durchzuhalten.»
    «Warum?»
    «Um zu beweisen, dass er es kann? Um das Leben interessanter zu machen? Um grausam zu sein? Nick ist ein komplizierter Mensch. Es gibt niemals eine einfache Erklärung für die Dinge, die er tut. Am wenigsten für die einfachen Dinge im Leben.»
    «Und jetzt trinkt er?»
    «Nein. Jetzt ist er in einer nüchternen Phase. Deshalb ist es ein schlechtes Jahr. Zum einen trinke ich selbst ganz gern, und ich hasse es, allein zu trinken. Und zum anderen ist Nick eine Landplage, wenn er nüchtern ist - und unglaublich charmant, wenn er betrunken ist. Das ist einer der Gründe, weshalb ich nach Europa gekommen bin. Um in Ruhe zu trinken. Im Moment habe ich die Nase gestrichen voll von ihm und obendrein von mir selbst. Haben Sie je die Nase von sich voll, Bernhard?»
    «Nur, wenn ich in den Spiegel sehe. Wenn man Polizist ist, braucht man ein gutes Gedächtnis für Gesichter - hauptsächlich das eigene. Die Arbeit verändert einen auf erstaunliche Weise. Nach einer Weile unterscheidet sich das eigene Spiegelbild nicht mehr groß von dem Abschaum, den man eingebuchtet hat. In letzter Zeit wird mir außerdem übel, wenn ich jemandem meine Lebensgeschichte erzähle.»
    In Halensee bog ich nach Süden ab, auf die Königsallee, und zeigte aus dem Fenster. «Sehen Sie, dort? Dort wird das Olympiastadion gebaut, hinter der S-Bahn-Linie nach Pichelsberg. Von hier an besteht Berlin nur noch aus Wäldern und kleinen Seen und exklusiven Villen. Ihre Freunde, die Adlons, hatten hier ein Haus, aber Hedda hat es nicht gefallen, also haben sie sich etwas in der Nähe von Potsdam gekauft, in einem Dorf namens Nedlitz. Sie benutzen es als Wochenendhaus für spezielle Spezialgäste, die den Unbilden des Lebens im Hotel entgehen möchten - und ihren Frauen bzw. Ehemännern.»
    «Ich nehme an, das ist der Preis dafür, wenn man einen guten Detektiv beschäftigt. Er weiß alles, was es über einen zu wissen gibt.»
    «Ich schwöre Ihnen, Mrs. Charalambides», entgegnete ich. «Der Preis ist sehr viel geringer dieser Tage.»
    Ungefähr acht Kilometer westlich des Bahnhofs Halensee hielt ich vor dem hübsch gelegenen Restaurant Hubertus.
    «Warum halten wir?»
    «Ein frühes Mittagessen und ein paar Informationen. Als ich sagte, dass der Türke im Grunewald lebt, habe ich vergessen zu erwähnen, dass der Wald fast dreieinhalbtausend Hektar umfasst. Wenn wir den Türken je finden wollen, brauchen wir die Hilfe von jemandem, der sich im Grunewald auskennt.»
    Das Restaurant war wie aus einer Operette von Lehar: eine einladende, von Efeu überwachsene Villa mit einem Garten, in dem ein Kronprinz und seine junge Baronesse für einen raschen Imbiss einkehrten auf ihrem Weg zu einem genauso prachtvollen wie düsteren Jagdschloss. Umgeben von einer Schar wohlgenährter, laut schnatternder Berliner, gaben wir uns die größte Mühe, wie ein vornehmes Ehepaar aufzutreten - und unsere Enttäuschung darüber zu verbergen, dass unser Kellner nicht aus der Gegend stammte und uns nicht weiterhelfen konnte.
    Nach dem Essen fuhren wir weiter nach Süden und Westen und fragten in einem Dorfladen am Riemeistersee nach dem Zeltlager, dann im Postamt an der Krummen Lanke und schließlich in einer Werkstatt in Paulsborn, wo uns der Pächter erzählte, dass er von einem Zeltlager am linken Ufer des Schlachtensees gehört habe, an einer Stelle, die am besten über das Wasser zu erreichen war. Also fuhren wir zum Belitzhof, wo wir uns ein Motorboot mieteten, mit dem wir unsere Suche fortsetzten.
    «Ich hatte einen wunderschönen Tag», sagte sie, während das Boot durch das kalte preußische Wasser glitt. «Selbst wenn wir nicht finden, wonach wir suchen.»
    Aber wir landeten einen Volltreffer.
    Zuerst bemerkten wir den Rauch, der sich über die dichten Baumwipfel erhob wie eine Säule. Das kleine Lager bestand aus Armeezelten, sechs oder sieben Stück insgesamt. Während der Wirtschaftskrise hatte man eine große Zeltstadt für die Armen und die Arbeitslosen im Tiergarten errichtet, viel näher am Zentrum.
    Ich schaltete den Motor ab, und wir trieben vorsichtig näher. Eine kleine Gruppe abgerissener Männer, mehrere von ihnen unübersehbar jüdisch, kam aus den Zelten. Sie trugen Knüppel und Schleudern. Wäre ich allein gewesen, hätten sie mich womöglich feindselig empfangen, doch beim Anblick von Mrs. Charalambides entspannten sie sich sichtlich. Man zieht nicht im Zobelmantel und mit Perlenkette

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