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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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eigentlich je von sich als einem Arier?», wollte Mrs. Charalambides von mir wissen. «Halten Sie sich für deutscher als die Juden?»
    Ich konnte ihr kaum von meiner arischen «Transfusion» erzählen. Zum einen kannte ich sie so gut wie gar nicht, und zum anderen war es ein recht beschämendes Geständnis gegenüber jemandem, der, soweit ich wusste, zu einhundert Prozent jüdisch war. Also zuckte ich nur die Schultern. «Ein Deutscher ist ein Mensch, der mächtig stolz darauf ist, ein Deutscher zu sein, während er in einer engen, kurzen Lederhose durch die Gegend läuft. Mit anderen Worten, die ganze Idee erscheint mir lächerlich. Beantwortet das Ihre Frage?»
    Sie lächelte. «Hedda hat erzählt, man hätte Sie bei der Polizei rausgeworfen, weil sie ein altbekannter Sozialdemokrat wären.»
    «Ich weiß nicht, ob das mit dem altbekannt so stimmt. Wäre dem so, hätten sich die Dinge für mich wohl anders entwickelt.» «Vermissen Sie Ihre Arbeit bei der Polizei?» Ich schüttelte den Kopf.
    «Aber Sie waren mehr als zehn Jahre Polizist. Wollten Sie immer schon Polizist werden?»
    «Vielleicht. Ich weiß es nicht. Als ich ein kleiner Junge war, habe ich immer draußen auf der Wiese vor unserer Mietskaserne Räuber und Gendarm gespielt, und mir war nicht klar, was mir mehr Freude gemacht hat: Räuber zu sein oder Gendarm. Wie dem auch sei, ich erzählte meinern Vater, dass ich entweder Polizist oder Räuber werden wollte. Er lachte nur und meinte, warum ich denn nicht wie die meisten Polizisten beides sein wollte.» Ich grinste. «Er war ein respektabler Bürger, doch er mochte die Polizei nicht. Niemand mochte sie. Ich würde nicht sagen, dass wir in einer schlimmen Gegend wohnten, doch wo ich aufwuchs, nannten wir jede Geschichte mit einem glücklichen Schluss ein Alibi.»
     
     
    Mehrere Tage fuhren wir kreuz und quer durch die Straßen von Berlin. Ich erzählte ihr Witze und unterhielt sie auch sonst. Wir besuchten die Sportvereine und Boxclubs der Stadt, und ich zeigte die Fotografie von «Fritz» aus der Polizeiakte herum, die Richard Börner mir gelassen hatte. Fritz sah nicht gerade umwerfend aus - wohl der Tatsache geschuldet, dass er auf dem Bild nicht mehr am Leben war -, doch niemand schien ihn wiederzuerkennen. Vielleicht gab sich auch niemand sonderlich Mühe, doch das war schwer zu sagen, denn das Interesse konzentrierte sich allgemein auf Mrs. Charalambides. Eine gutgekleidete, wunderschöne Frau, die die Sportvereine von Berlin besuchte, das war zwar nicht ohne Beispiel, aber doch zumindest ungewöhnlich. Ich versuchte ihr klarzumachen, dass ich mehr aus den Männern herausbekommen konnte, wenn sie im Wagen blieb, doch das wollte sie auf gar keinen Fall. Sie war schließlich nicht mitgekommen, um eine Stadtbesichtigung mit mir zu unternehmen. Und Mrs. Charalambides war keine Frau, der man irgendwelche Vorschriften machte.
    «Wenn ich tue, was Sie sagen», entgegnete sie, «wie soll ich dann meine Story bekommen?»
    Ich hätte ihr beigepflichtet, wäre nicht die Tatsache gewesen, dass es immer die gleiche Vier-Wort-Geschichte war, über die wir stolperten: juden haben keinen zutritt. Ich empfand Mitgefühl für Mrs. Charalambides, weil sie sich jedes Mal diese Schilder ansehen musste, wenn wir eine Sporthalle betraten. Sie ließ sich nichts anmerken, doch ich konnte mir denken, dass die Angelegenheit sehr irritierend für sie war.
    Das Studio für Boxen und Leibeszucht war die letzte Halle auf meiner Liste. Im Nachhinein betrachtet, hätten wir dem Verein als Erstes einen Besuch abstatten sollen.
    Im Herzen von Berlin, unmittelbar südlich vom Bahnhof Zoo, befindet sich die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Mit den zahlreichen Türmchen verschiedener Höhe sieht sie meiner Meinung nach eher aus wie das Schloss des Schwanenkönigs Lohengrin als ein Ort religiöser Andacht. Der Eindruck wurde verstärkt dadurch, dass die Kirche umgeben war von Kinos, Tanzpalästen, Kabaretts und Restaurants, schicken Geschäften und - am westlichen Ende der Tauentzienstraße, eingekeilt zwischen einem billigen Hotel und dem Kaufhaus des Westens - dem Boxstudio.
    Ich parkte den Wagen, half Mrs. Charalambides beim Aussteigen und drehte mich dann um, weil ich die Schaufensterauslagen des KaDeWe betrachten wollte. «Das hier ist ein ganz vorzügliches Kaufhaus», bemerkte ich.
    «Nein.»
    «O doch, das ist es. Und das Restaurant ist auch sehr gut.»
    «Ich meine nein, ich gehe nicht einkaufen, während Sie allein in

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