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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Grabstein, verstehst du?»
    «Ich verstehe zumindest so viel, dass du versuchst, mich zu vergraulen. Um selbst Arbeit zu bekommen.»
    «Ganz und gar nicht. Was ich zu sagen versuche, ist, dass wir aufeinander aufpassen, ja? Wenn wir es nicht tun, tut es niemand. Wenn wir runter in die Grube fahren, sind wir wie die drei Musketiere.»
    «Die Grube? Ich dachte, wir arbeiten am Stadion?»
    «Das ist oben, da arbeiten nur die Arier. Das ist nicht gefährlich. Wir hier arbeiten unten, am Tunnel für die neue S-Bahn, die vom Stadion bis zur Königgrätzer Straße führen soll. Wenn du heute arbeiten darfst, findest du heraus, wie man sich als Maulwurf fühlt.» Er blickte hinauf in den immer noch dunklen Himmel. «Wir fahren im Dunkeln rein, wir arbeiten im Dunkeln, und wir kommen im Dunkeln wieder raus.»
    «Du hast recht, mein Freund hat mir nichts von alledem erzählt», gestand ich. «Man sollte meinen, dass er es erwähnt, aber nein. Andererseits ist es schon eine Weile her, dass ich ihn zum letzten Mal gesehen habe. Oder seinen Onkel. He, vielleicht kennst du die beiden ja? Isaac und Joseph Deutsch?»
    «Ich kenne sie nicht», sagte Feigenbaum, doch hinter seinen Brillengläsern hatte er die Augen zusammengekniffen und musterte mich prüfend, als hätte er zumindest den Namen der beiden doch gehört. Ich hatte schließlich zehn Jahre bei der Kripo gearbeitet und wusste, wann ein Mann lügt. Feigenbaum zupfte sich ein paar Mal am Ohrläppchen und blickte nervös zur Seite. Das war eindeutig.
    «Aber du musst sie kennen», sagte ich. «Isaac war früher Boxer. Er hatte eine glänzende Karriere vor sich, bis die Nazis Juden vom Boxsport ausgeschlossen und ihm die Lizenz weggenommen haben. Joseph war sein Trainer. Bestimmt kennst du sie.»
    «Ich sage doch, ich habe keine Ahnung, von wem du redest», entgegnete Feigenbaum entschieden. Er hatte die Fassung wieder.
    Ich zuckte die Schultern und steckte mir eine Zigarette an. «Wenn du es sagst. Ich meine, es ist schließlich egal, oder?» Ich paffte ein wenig, sodass er den Qualm meiner Zigarette riechen konnte. Ich sah ihm an, dass er sich nach einer Kippe sehnte, selbst wenn die, die ich ihm kurz zuvor geschenkt hatte, noch hinter seinem Ohr klemmte. «Ich schätze, all das Gerede von wegen aufeinander aufpassen und drei Musketieren war nichts weiter als das. Gerede.»
    «Was willst du damit sagen?» Seine Nasenflügel blähten sich, als er den Tabakgeruch einatmete, und er leckte sich über die Lippen.
    «Nichts. Gar nichts», entgegnete ich und nahm einen weiteren Zug von meiner Zigarette, den ich ihm ins Gesicht blies. Dann hielt ich ihm die Zigarette hin. «Hier. Rauch sie zu Ende. Du siehst aus, als hättest du es nötig.»
    Feigenbaum nahm mir die Zigarette aus den Fingern und zog daran, als hätte ich ihm eine Opiumpfeife gereicht. Manche Leute waren so: Sie lassen einen denken, dass ein so kleines Etwas wie eine Zigarette tatsächlich verdammt gefährlich war. Es machte einem Angst, zu sehen, wie schlimm ihnen diese Sucht zusetzte.
    Ich sah verlegen weg und lächelte. «So war das schon mein ganzes Leben, schätze ich. Ich rede einfach so vor mich hin. Vielleicht machen wir das alle, richtig? In der einen Minute sind wir hier, in der nächsten sind wir schon wieder weg.» Ich blickte auf meine Uhr, doch dann fiel mir ein, dass ich sie absichtlich im Hotel gelassen hatte. «Verdammte Armbanduhr! Ich vergesse immer wieder, dass ich sie versetzt habe. Wo bleibt dieser Goerz eigentlich so lange? Sollte er nicht inzwischen längst hier sein?»
    «Er kommt, wenn er kommt», sagte Feigenbaum und ging - mit meiner Zigarette im Mund - einfach davon.
    Wenige Minuten später traf Eric Goerz ein. Er wurde von seinem großen Fahrer begleitet und von einem weiteren Kerl, groß wie ein Kleiderschrank. Goerz rauchte die gleiche stinkende Zigarettenmarke wie am Tag zuvor, und unter dem grauen Gabardinemantel trug er den gleichen grünen Anzug. Diesmal hatte er einen weit in den Nacken geschobenen Hut auf, und in der Hand hielt er die Leine seines unsichtbaren Hundes. Sobald er auf der Bildfläche erschien, drängten sich die Männer um ihn, als wollte er persönlich die Bergpredigt halten. Seine beiden Schergen setzten ihre massigen Arme ein, um zu verhindern, dass Goerz herumgeschubst wurde. Ich drängte mich ebenfalls näher heran, um den Eindruck eines Mannes zu erwecken, der genauso dringend Arbeit suchte wie alle anderen.
    «Los, tretet zurück, verdammte Itzig-Bastarde! Ich

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