Die Adlon - Verschwoerung
tut mir leid, Bernie.»
«Vergiss es. Andererseits, vielleicht ist es besser, wenn du es nicht vergisst. Ich mag es, wenn du mir gegenüber Schuldgefühle hast. Es bedeutet, dass ich dich erpressen kann, Engel. Abgesehen davon, schon als ich dich zum ersten Mal gesehen habe, wusste ich, dass du mich in Schwierigkeiten bringst. Rein zufällig mag ich Frauen wie dich. Mit großen Schwellern, polierter Karosserie, jeder Menge Chrom und einem aufgeladenen Motor. Wie dieser Wagen, den deine Freundin Hedda fährt. Diese Automobile, mit denen man in Polen ist, wenn man das Gaspedal einmal durchtritt. Hätte ich ein Interesse daran, mit Bibliothekarinnen zu schlafen, würde ich mit dem Bus fahren.»
«Wie dem auch sei, Bernie, ich habe nur an meinen Zeitungsartikel gedacht und nicht eine Sekunde an die Folgen, die es für dich haben könnte. Ich kann nicht glauben, dass ich so dumm gewesen bin, die Gestapo auf dich aufmerksam zu machen!»
«Vielleicht habe ich es vorher nicht erwähnt, aber die Gestapo ist schon seit einer ganzen Weile auf mich aufmerksam. Genau gesagt, seit ich bei der Polizei gekündigt habe. Ich wüsste eine Reihe guter Gründe, warum mich die Gestapo oder auch die Kripo jederzeit verhaften könnten, falls sie es wollten. Doch Kopfschmerzen bereiten mir die Gründe, die mir nicht einfallen.»
Kapitel 20
Noreen schien die Nacht mit mir in meiner Wohnung verbringen zu wollen, doch ich hatte etwas dagegen. Ich hatte nur ein winziges Zimmer mit einer Küche und einem noch kleineren Bad. «Wohnung» war eigentlich übertrieben - ein Samenkorn war schließlich auch noch längst kein Gemüse. Zugegeben, es gab kleinere Wohnungen in Berlin, doch die gingen in der Regel an Mäuse und ihre Familien.
Es war mir peinlich, ihr zu zeigen, wie ich lebte. Und ich schämte mich, ihr zu verraten, dass ich zu einem Achtel jüdisch war. Zugegeben, ich war verunsichert gewesen, weil ich bei der Gestapo wegen meiner Gemischtrassigkeit denunziert worden war, doch ich empfand keine Scham wegen dem, wer und was ich war. Wie konnte ich? Es erschien mir so bedeutungslos. Nein, meine Scham rührte vielmehr daher, dass ich Emil Linthe beauftragt hatte, ebenjenes Blut aus meinem Stammbaum zu radieren, das mich mit Noreen verband. Wie konnte ich ihr das gestehen? Und so verbrachte ich eine weitere wunderbare Nacht mit Noreen in ihrem Apartment im Adlon, ohne mein Geheimnis preiszugeben.
Ich bekam nicht viel Schlaf zwischen ihren Schenkeln. Wir hatten Besseres zu tun. In aller Herrgottsfrühe machte ich meinen schändlichen Abgang und verabschiedete mich mit den Worten, dass wir uns später am Tag wiedersehen würden. Ich erzählte ihr, ich würde nach Hause fahren und meine Sachen wechseln - nicht eine Silbe von meiner geplanten S-Bahn-Tour in den Grunewald und zum Schildhorn.
Ich hatte Arbeitskleidung in meinem Büro. Rasch zog ich mich um, trat hinaus in die Dunkelheit des frühen Morgens und ging das kurze Stück bis zum Potsdamer Bahnhof. Eine Dreiviertelstunde später stieg ich in Begleitung mehrerer anderer Männer die Stufen zum Schildhorndenkmal hinauf. Die meisten von ihnen waren dunkle Typen mit braunem Haar, dunklen, melancholischen Augen und Nasen, die in mir die Frage aufwarfen, ob Gott sein Volk nach dem Gesichtspunkt der hässlichsten Zinken zusammengestellt hatte. Der eine oder andere von ihnen bedachte mich im Mondlicht mit einem Blick, als fragte er sich, was die Nazis um alles in der Welt gegen einen großen, kräftigen Burschen mit blonden Haaren, blauen Augen und einer wie mit dem Lineal gezogenen Nase haben konnten. Ich konnte es ihnen nicht verdenken. Ich stach aus der Gruppe hervor wie Ramses persönlich.
Fast einhundertfünfzig Männer hatten sich in der Dunkelheit unter den Tannenbäumen eingefunden. Eine morgendliche Brise ließ die Zweige rascheln. Das Denkmal stellte einen stilisierten Baumstamm dar, bewehrt mit einem Schild und gekrönt mit einem Kreuz. Wahrscheinlich bedeutete es sogar irgendetwas für Leute mit einem Sinn für unansehnliche religiöse Monumente. In meinen Augen erinnerte das Ding mehr an einen Laternenmast ohne Laterne. Oder vielleicht einen Marterpfahl, an dem Städtebauer verbrannt wurden. Was für ein lohnendes Objekt - gerade hier in Berlin.
Ich umrundete den Mini-Obelisken und lauschte vereinzelten Unterhaltungen. Hauptsächlich ging es darum, wie viele Tage jeder Einzelne von ihnen in der jüngeren Vergangenheit gearbeitet hatte. Oder nicht gearbeitet, was der
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