Die Adlon - Verschwoerung
nichts sah. Meine Lider waren plötzlich bleiern schwer. So schwer, dass sie herunterfielen wie Steine. Steine über einem großen, dunklen, kalten Grab vielleicht. Steine, wie nicht einmal Jakobs Engel sie wegschaffen könnten. Bis in alle Ewigkeit, Amen.
Kapitel 21
Hedda Adlon hatte immer gesagt, ihrer Meinung nach gehöre es zu einem wahrhaft großartigen Hotel, dass die Gäste sechzehn Stunden am Tag schliefen. Die übrigen acht sollten sie gefällig leise und unauffällig in der Bar verbringen. Ich hatte keinerlei Einwände. Ich wollte lange, lange schlafen - vorzugsweise in Noreens Bett. Was mir vielleicht sogar gelungen wäre, hätte sie nicht versucht, ihre Zigarette auf meinem Rücken auszudrücken. So fühlte es sich zumindest an. Ich wollte mich zur Seite drehen, und dann traf mich etwas schmerzhaft an Kopf und Schultern. Ich öffnete die Augen und stellte fest, dass ich auf dem Fußboden saß, bedeckt von Sägemehl und die Hände an einen freistehenden Kachelofen gefesselt - einen von jenen Keramikheizern, die man in vielen Wohnungen in der Zimmerecke fand und die aussahen wie ein öffentlicher Trinkbrunnen. Weil ich so gut wie nie zu Hause war, brannte der Ofen in meiner Wohnung nur selten und war kaum jemals warm. Dieser jedoch war selbst durch die Jacke so heiß wie der Schornstein eines Dampfschleppers unter Volllast. Ich bog den Rücken durch, um die heiße Keramik nicht zu berühren, doch das führte dazu, dass ich mir die Hände verbrannte. Als Eric Goerz meinen Schmerzensschrei hörte, machte er Anstalten, erneut mit seiner ledernen Hundeleine auf mich einzuschlagen. Wenigstens wusste ich jetzt, warum er sie ständig mit sich herumtrug. Zweifellos sah er sich als eine Art von Aufseher, ähnlich jenem ägyptischen Sklaventreiber, den Moses im Exodus erledigt hatte. Ich hätte Goerz liebend gerne selbst den Hals umgedreht.
Als er kurz innehielt, blickte ich auf und bemerkte, dass er meinen Ausweis in den Händen hielt. Ich verfluchte mich dafür, dass ich ihn nicht im Hotel gelassen hatte, in meiner Anzugtasche. Ein, zwei Meter hinter Goerz standen sein großer, leichenblasser Fahrer und der Kleiderschrank. Er hatte ein Gesicht wie eine unfertige Marmorbüste.
«Bernhard Gunther», sagte Goerz. «Hier steht, du bist Hotelangestellter und ein ehemaliger Polizist. Was macht ein Hotelangestellter hier, und warum stellst du Fragen über Isaac Deutsch?»
«Binden Sie mich los, und ich erzähle Ihnen alles.»
«Erzähl mir alles, und ich binde dich los. Vielleicht.»
Ich sah keinen Grund, ihm nicht die Wahrheit zu erzählen. Absolut keinen. Folter lockert die Zunge - manchmal. «Einer der Gäste im Hotel ist eine amerikanische Reporterin», sprudelte ich hervor. «Sie schreibt einen Zeitungsartikel über Juden im deutschen Sport. Über Isaac Deutsch insbesondere. Sie will erreichen, dass die Vereinigten Staaten die Olympischen Spiele boykottieren. Sie bezahlt mich, damit ich ihr bei ihren Recherchen helfe.»
Ich verzog das Gesicht und bemühte mich, die Schmerzen im Rücken zu ignorieren, was gar nicht so einfach war. Ein wenig so, als wäre ich in der Hölle und versuchte einen kleinen Teufel zu ignorieren, der mich ununterbrochen mit einer glühenden Mistgabel malträtierte.
«Das ist Unsinn», sagte Goerz. «Es ist Unsinn, weil ich die Zeitung lese und deswegen rein zufällig weiß, dass das amerikanische Olympische Komitee sich bereits gegen einen Boykott entschieden hat.» Er hob die Hundeleine und prügelte erneut auf mich ein.
«Sie ist Jüdin!», brüllte ich zwischen den Schlägen. «Sie glaubt, wenn sie die Wahrheit über das schreibt, was in diesem Land geschieht, was man Leuten wie Isaac Deutsch antut, dann werden die Amis ihre Meinung ändern. Deutsch ist die Hauptfigur in ihrer Reportage. Wie er aus seinem Boxverein geworfen wurde und hier auf der Baustelle landete. Und dass es einen Unfall gegeben hat. Ich weiß nicht, wie es genau passiert ist - er ist ertrunken, habe ich recht? Im S-Bahn-Tunnel? Und dann hat ihn irgendjemand auf der anderen Seite der Stadt in den Kanal geworfen.»
Goerz hielt inne. Er war außer Atem. Er strich sich das Haar aus den Augen, straffte seine Krawatte, legte sich die Leine um den Nacken und hielt sie mit beiden Händen fest. «Und woher weißt du das alles?»
«Ein ehemaliger Kollege vom Alex hat mir den Leichnam im Leichenschauhaus gezeigt und mir die Akte gegeben. Das ist alles. Ich war früher bei der Mordkommission, verstehen Sie? Sie
Weitere Kostenlose Bücher