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Die Äbtissin

Die Äbtissin

Titel: Die Äbtissin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toti Lezea
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Infanten geboren, der jedoch nur wenige Stunden gelebt hatte. Vier Jahre waren nun seit der Hochzeit vergangen, und wie zu hören war, bestand keine große Hoffnung, dass Königin Germaine ein weiteres Mal niederkam, obgleich sie alles tat, was in ihrer Macht stand. Sie trank große Mengen frisch gemolkener, noch lauwarmer Milch, nahm Sitzbäder in einem Aufguss aus Salbei und Bilsenkraut und wallfahrte sogar zu den Heiligen, die eine Schwangerschaft begünstigten. Dem Vernehmen nach verabreichte sie dem König zudem allerlei aphrodisiakische Getränke, insbesondere Gamander, das so genannte Amberkraut, das sie eigens von den Balearen herbeischaffen ließ. Es sollte ihm die notwendige Kraft verleihen, einen weiteren Sohn zu zeugen.
    Es war eine Ironie des Schicksals, dachte María, dass es dem König trotz seiner vielen legitimen und illegitimen Kinder nicht gelang, einen Thronerben für sein Land zu zeugen, das somit seiner wahnsinnigen Tochter zufallen würde.
     
     
    Torquemada, Vega-Alegre und Buniel waren die nächsten Etappen der Reise. Am Morgen des fünften Tages stellten sie fest, dass der Weg breiter wurde und der steinige Untergrund einem von Ulmen und Linden beschatteten Pflaster wich. Die Weiler am Wegesrand wurden immer zahlreicher, je näher sie Burgos kamen. Eine Meile vor der Stadt, als sich bereits die Türme der Stadtmauer und der Kathedrale vor dem Himmel abzeichneten, kam ihnen eine Gruppe von Männern und Frauen entgegen. Sie gingen gemessenen Schrittes, während sie etwas rezitierten, das wie eine Litanei klang. Sie trugen Umhänge in verschiedenen Längen sowie breitkrempige Hüte, die einen Teil ihrer Gesichter bedeckten. Sie stützten sich auf Stöcke, an denen Kalebassen für das Wasser hingen.
    »Das sind Pilger auf dem Weg nach Santiago de Compostela«, erklärte der Hauptmann.
    »Woher wisst Ihr das?«, fragte Joaquina.
    »Weil ich diese Strecke oft zurückgelegt habe und ihnen jedes Mal begegnet bin. Sie kommen aus allen Teilen Europas: Frankreich, England, Italien, Flandern… Zumeist sind sie zu Fuß unterwegs und legen Tausende von Meilen zurück, um sich dem heiligen Jakobus zu Füßen zu werfen. Andere reisen zu Pferde oder gar mit dem Wagen. Wie man sich erzählt, war ihre Zahl in früheren Jahrhunderten um ein Vielfaches größer, doch offenbar hat die Frömmigkeit in jüngster Zeit ein wenig nachgelassen.«
    »Ich habe auch welche in Bilbao gesehen«, ließ sich Inés vernehmen, »aber niemals so viele auf einmal.«
    »Der Weg durch unsere Berge ist gefährlich«, erklärte Don Gonzalo.
    »Aber…« Joaquina konnte ihren Blick nicht von der Menschenschlange wenden. »Ich verstehe nicht, warum sie hier entlangziehen. Wenn sie diesem Weg weiter folgen, gelangen sie nach Valladolid. Müssten sie nicht in die entgegengesetzte Richtung gehen?«
    »Sie wollen zum Königlichen Hospital, das Ihr zu Eurer Rechten sehen könnt. Dort ruhen sie sich aus, bevor sie ihre Wanderung fortsetzen.«
    Tatsächlich waren die Pilger nach rechts abgebogen und hielten auf ein großes, gleichfalls von Bäumen umstandenes Gebäude zu, vor dem eine große Menschenmenge zu erkennen war.
    »Das Königliche Hospital wurde ebenso wie das Kloster Las Huelgas Reales, das Ihr ein wenig weiter dort drüben sehen könnt, vor über dreihundert Jahren von König Alfons, dem Achten seines Namens, und dessen Gemahlin Leonore von England gegründet«, erklärte der Hauptmann weiter. »Das Hospital ist Eigentum des Klosters.«
    Sie schauten in die Richtung, in die er wies. Von einer hohen Mauer umgeben, erhob sich das beeindruckende Kloster wie eine Festung in den Himmel.
    »Das soll ein Kloster sein?«, fragte Joaquina, verblüfft über seine Größe. »Es wirkt eher wie eine Kathedrale, würde ich meinen. Und welche Mönche leben dort?«
    »Keine Mönche, Joaquina«, sagte María. »Es sind Zisterzienserinnen.«
    Sie wusste es ganz genau. In den Jahren ihres Studiums hatte sie alles über die bedeutendsten Orden Kastiliens gelernt. Das Kloster war seit je von Zisterzienserinnen bewohnt, die für das Seelenheil der zahlreichen Könige beteten, die dort begraben lagen. Wie der Hauptmann richtig gesagt hatte, war es von jenem Herrscherpaar an einem Ort gegründet worden, der den Namen Las Huelgas trug, weil die Bauern nach getaner Arbeit ihre Tiere dort ausruhen ließen. Dort hatte man ein kleines Jagd- und Lustschloss für die königliche Familie errichtet. Angeblich war jener Pedro der Grausame dort geboren, der

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