Die Äbtissin
sie, ihm den Ausgang zu zeigen.
Der Aufruhr war enorm, doch weder der Bischof noch der Kardinal und natürlich auch nicht der König unternahmen etwas in der Angelegenheit. Zwei Tage später verließ die Äbtissin in Begleitung einiger weniger Mitschwestern das Konvent. Später wurde bekannt, dass der Graf ihnen einen seiner Paläste zur Gründung eines neuen Ordens zur Verfügung gestellt hatte, aber die Sache verlief im Sande und man hörte nie wieder davon.
Während sie auf Nachrichten aus Toledo wartete, befasste sich María mit der Organisation des Klosters gemäß den Ordensregeln. Da sie nicht mehr auf die finanzielle Unterstützung des Grafen und anderer begüterter Familien zählen konnten, würden sich die Ordensfrauen etwas dazuverdienen müssen. Als sich herausstellte, dass einige von ihnen großes Geschick in der Herstellung von Naschwerk besaßen, hatten sie binnen weniger Tage einen Handel für Schmalzgebackenes und Törtchen aufgebaut, der Früchte zu tragen begann.
In der Zeit, die María nicht mit der neuen Aufgabe befasst war, vertiefte sie sich in die Lektüre ihres Gebetbuches oder führte lange Gespräche mit dem Beichtvater und Kaplan des Klosters, Pater Adriano. Von ihm erfuhr sie viel über die Geschichte Valladolids, denn er liebte seine Stadt und ließ keinen Tag verstreichen, ohne María aufzusuchen. Zu seiner großen Freude fand er in ihr eine aufmerksame und dankbare Zuhörerin.
»In dieser Stadt haben bedeutende Ereignisse der kastilischen Geschichte stattgefunden«, sagte er eines Tages zu ihr. »König Ferdinand III. wurde hier zum König ernannt, und Ihre Hoheiten Doña Isabella und Don Ferdinand gaben sich im Palacio de Vivero das Jawort.«
María war ganz Ohr. Diese beiden Namen würden sie bis zu ihrem Tod begleiten, und sie war begierig darauf, alles über sie zu erfahren.
»Wie das?«, fragte sie und versuchte ihre Neugier zu verbergen. »Ich wusste gar nicht, dass die Hochzeit Ihrer Hoheiten in Valladolid stattfand.«
»Nun, so ist es gewesen« – der Priester lächelte verschmitzt – »und ich habe sie getraut.«
Mit dieser Äußerung hatte María nicht gerechnet. Vor ihr stand ein Augenzeuge der Verbindung, die so viel Anlass zu Gerede gegeben hatte.
»Die Prinzessin – denn damals war Isabella noch nicht Königin – traf sich hier mit ihrem Verlobten, dem Kronprinzen von Aragón«, erklärte er. »Dieser kam verkleidet, damit die Spitzel König Heinrichs IV. der gegen die Verbindung war, ihn nicht entdeckten. Es war wirklich eine sehr romantische Geschichte.«
»Der König wollte nicht, dass seine Schwester den Infanten von Aragón ehelichte?«
»Natürlich nicht! Er hatte andere Pläne mit ihr und nahm ihr das Versprechen ab, niemals ohne seine Einwilligung zu heiraten.«
»Doña Isabella hat versprochen, nicht ohne die Einwilligung ihres Bruders zu heiraten? Also hat sie ihr Versprechen gebrochen?«
Der alte Kaplan schien seine Antwort für einen kurzen Moment zu bedenken.
»Nun… so war es, aber die Liebe ist eine Himmelsmacht, und Doña Isabella vereinte sich gegen den Willen des Königs mit dem Mann, den sie liebte.«
Angesichts der bukolischen Leichtgläubigkeit des guten Priesters konnte María ein Lächeln nicht verhehlen.
»Kannten die beiden sich denn?«, fragte sie nicht ohne Ironie.
»Nein… sie kannten sich nicht…« Der Mann zögerte, als er bemerkte, dass er diesen Umstand nie zuvor bedacht hatte. »Doch sie hatten viel voneinander gehört, und das genügte«, setzte er hinzu, zufrieden mit seiner eigenen Erklärung. »Erzbischof Carrillo, der Ratgeber der hohen Dame, ließ mich rufen, um die beiden im heiligen Bund der Ehe zu vereinen. Ich war damals ein bescheidener Pfarrer an der Kirche San Benito und fühlte mich sehr geehrt.«
»Und was ist Wahres an der viel erzählten Geschichte von der Fälschung einer päpstlichen Bulle, damit die beiden trotz ihres Verwandtschaftsgrades heiraten konnten?«
»Gerede!«, fuhr der alte Priester plötzlich auf. »Die Bulle traf rechtzeitig ein. Ohne die Erlaubnis aus Rom hätte die erlauchte Prinzessin niemals in eine Heirat mit ihrem Vetter eingewilligt.«
»Stimmt es denn nicht, dass Papst Paul II. nicht bereit war, die Bulle auszustellen, und die beiden zwei Jahre warten mussten, um das Einverständnis von Papst Sixtus zu erhalten?«
Pater Adriano sah sie durchdringend an und zog missbilligend eine Augenbraue hoch.
»Ihr wisst viel über unsere Königin – Gott möge sie in die Heerschar
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