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Die Ängstlichen - Roman

Die Ängstlichen - Roman

Titel: Die Ängstlichen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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genug Zeit also, den Brief wieder aus dem Kasten zu holen und auf das ganz große Zittern, das unweigerlich einsetzen würde, sobald er den Brief fand, zu verzichten.
    Sie öffnete den Kühlschrank, nahm den Joghurtbecher und die Orangensaftflasche heraus. Dann griff sie einen der grünrot glänzenden Braeburn-Äpfel und eine Banane, schnitt sie klein und vermischte sie mit Joghurt und Orangensaft in einer Keramikschale, nicht ohne Zucker, Mandelsplitter und eine Prise Zimt hinzuzufügen. Mit der Schale und einem Teelöffel ging sie hinauf in ihr Schlafzimmer. Dort oben lag für sie in ihrer Nachttischschublade, sorgfältig eingeschlagen in ein nachtblaues, mit rosafarbenen Herzchen besticktes Seidentuch, eine weitere, allerdings ganz anders geartete Süßigkeit für sie bereit: ihr aus strapazierfähigem weißem Kunststoff gefertigter Rainer-Ersatz namens »Ladyfinger«: 135 Gramm schwer, 165 Millimeter lang und mit seinen 33 Millimetern Durchmesser so ansehnlich und vital geformt wie ein sich stramm aus der tabakfarbenen südhessischen Erde aufrichtender Stangenspargel.
    Auf Außenstehende (Ulrike dachte dabei vor allem an Britta oder ihre älteste Freundin Lina Grabert, die vor Jahren einen Hochschulprofessor geheiratet, ihm zwei mehr oder weniger gelungene Töchter geschenkt hatte und inzwischen in Paderborn lebte) musste es, hätten sie davon gewusst, zweifellos irritierend wirken, dass sie ausgerechnet jetzt, da sich ihre Beziehung zu Rainer so schwierig wie nie zuvor gestaltete, derartige Gelüste verspürte.
    Nachdem Ulrike die Vorhänge geschlossen hatte, tauchtesie keine zwei Minuten später mit dem surrenden Vibrator in der Hand zwischen ihre leicht gespreizten Schenkel, bis sie in warmen Wellen erste wohlige Schauer durchfuhren, die sich langsam steigerten und schließlich in einem zwar nicht sehr langen, insgesamt aber äußerst befriedigenden Orgasmus entluden. Und während sie sich unter der Bettdecke mit halb geschlossenen Lidern ausstreckte und ein bisschen wehmütig der verklingenden Süße des gerade Vollbrachten nachhing, spürte sie im grünlich gefiltert hereindringenden Spätnachmittagslicht, wie gekränkt sie sich in Wahrheit durch die Tatsache fühlte, dass Rainer sie inzwischen seit Jahren vernachlässigte.
    Ein paarmal hatte Ulrike daran gedacht, sich einen Liebhaber zu nehmen oder sich per Escortservice jemanden zu bestellen. Doch der Gedanke, sich von einem erheblich jüngeren Mann in Bars und Restaurants führen und anschließend gegen Bezahlung ficken zu lassen, missfiel ihr bei genauerer Betrachtung, auch wenn ihr die Vorstellung, im Arm eines entschlossenen Mannes zu liegen, behagte. Trotzdem: Was sie wollte, war Rainer.
     
    E in paar Wochen nachdem sie das erste Mal miteinander geschlafen hatten, hatte Iris Ben erzählt, was sie an ihm angezogen hatte. Es seien seine sanfte Art, seine Zurückhaltung und sein Humor gewesen, die ihre Gefühle angestachelt hätten. Und seine Angewohnheit, beim Sprechen manchmal schüchtern zur Seite zu blicken. Doch vor allem habe ihr sein offenes Gesicht gefallen, seine braungrünen Augen und die Tatsache, dass er, wenn er aufgeregt war, die Augenbrauen in einer Weise hochzog, dass er beinahe traurig aussah. Je besser sie ihn kannte,desto reizvoller sei sein Gesicht für sie geworden. All die kleinen Dinge, die es für sie noch immer darin zu entdecken gäbe.
    Iris hatte ihm reichlich Komplimente gemacht, damals, und Ben musste jetzt wieder daran denken, wie er so dalag, in seinen Bademantel eingehüllt und umwölkt von dem herben Kräuterduft, der scheinbar unverrückbar in der Luft hing und sich jedes Mal von neuem verstärkte und in unsichtbaren Wellen an seine Nase drang, wenn sich die Türen der Trockensaunen öffneten und krebsrote, schweißnasse Gestalten daraus hervortauchten, in ihre blau-weißen Adidas-Latschen schlüpften, nach ihren Handtüchern griffen und in Richtung der Duschen und graublau gekachelten Eisbecken wegliefen.
    Es war Iris’ Idee gewesen, in die Sauna zu gehen, und nun lag sie nach dem dritten Saunagang, eingemummelt in ihren flauschigen rosafarbenen Frotteepyjama, neben ihm und hielt die Augen geschlossen. Um ihre Füße hatte sie ein zweites, ebenfalls roséfarbenes Tuch gewickelt. Sie hielt den Kopf seitlich gegen das gepolsterte Kopfteil geschmiegt und schien zu träumen. Ihr an den Spitzen nasses und dadurch dunkleres, zu dicken Strähnen gebündeltes Haar, das sie sich aus der Stirn gestrichen hatte, lag in Kringeln

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