Die äußerst seltsame Familie Battersby (German Edition)
Erscheinungsbild keinen Deut weniger furchterregend für Daphne: Heulend flüchtete sie sich hinter eine Couch.
»Gertie, Gideon«, begrüßte Chessie die beiden und hob beschwichtigend die Hände. »Schwester. Schwager.«
Gideon baute sich vor seiner Frau und den Kindern auf. »Du bist hier nicht willkommen«, erklärte er.
»Es reicht jetzt!« Beatrice hatte sich schützend vor Chessie gestellt. »Es wird Zeit, dass wir uns über das unterhalten, was vor Jahren wirklich passiert ist. Wir haben schon so wenig Kontakt zu unserer restlichen Familie. Und ich will nicht, dass Chessie wie meine richtige Mutter keine echte, enge Beziehung zu uns hat. Es wird Zeit, dass wir darüber reden. Sagt uns endlich die Wahrheit!«
»Sie hat dich gegen uns aufgebracht«, stellte Gideon fest.
Beatrice schüttelte erst den Kopf. Doch dann nickte sie leicht. »Aber nur, weil sie ehrlich zu mir war.«
Chessie sah ihre Schwester durchdringend an. »Gertrude, es tut mir leid, dass ich dir wehgetan habe.«
»Entschuldigung angenommen«, schniefte Gertie. »Und jetzt geh!«
»Auch das, was ich jetzt sagen werde, tut mir leid.«
»Es reicht!«, brüllte Gideon. »Du bleibst keine Sekunde länger hier!«
»Nein!«, widersprach Chessie. »Du kannst mich nicht wegschicken. Wir sind meilenweit weg von festem Boden! Ich habe ein Recht, Gideon, ja ein Recht, mit meiner Familie zu sprechen! Das Ganze hat jetzt lange genug gedauert.«
»Sie hat recht, Vater«, sagte Beatrice.
Gideon legte seiner kreidebleichen Frau den Arm um die Schultern.
»Es war damals gar nicht Chessies Schuld«, fing Beatrice an.
»Lass mich das erzählen, bitte!«, fiel ihr Chessie ins Wort. »Cecil, Daphne, Ralph, ich muss euch etwas erklären. Mein Sohn ist verschwunden, ja, das stimmt. Ich hatte eine Wunschzeremonie für ihn organisiert, zu seinem sechzehnten Geburtstag. Aber als ich hörte, was er sich wünschte, weigerte ich mich, ihm diesen Wunsch zu erfüllen. Es war zu riskant. Gertie hat den Wunsch dann trotzdem erfüllt.«
»Du?«, fragte Cecil.
»Ja. Es war Mutter «, unterstrich Beatrice.
»Sie war so begeistert von dem Wunschabenteuer, das sie selbst als kleines Mädchen erleben durfte. Daher fand sie, alle Kinder sollten in diesen Genuss kommen. Als ich zögerte, hat sie es hinter meinem Rücken gemacht. Und als mein Sohn dann nicht mehr zurückkam, war plötzlich alles anders. Sie hatte wahnsinnige Angst, dass ich versuchen würde, mich zu rächen. Deshalb versteckte sie euch vor mir und verbot mir, euch zu sehen.«
Eine ganze Weile stand Gertie nur stumm vor ihnen, unfähig, ein Wort herauszubringen. Sie sah ihren Mann an, blickte dann auf ihre gepflegten Hände. »Ich … ich konnte es nach allem, was ich getan hatte, nicht ertragen, dir gegenüberzutreten … meiner eigenen Schwester.«
»Warum hast du uns nicht über die wahre Geschichte aufgeklärt?« Cecils Frage richtete sich an Chessie. »Du hättest uns irgendwie eine Nachricht zukommen lassen können. Oder es uns wenigstens erzählen können, bevor wir unsere Wünsche ausgesprochen haben!«
»Eure Mutter hat ihre Schuldgefühle mit aller Macht verdrängt«, erklärte Chessie. »Und dabei ist sie – genauso wie Ralphs Mutter – weit übers Ziel hinausgeschossen. Sie ist weit von der ganzen Wünscherei abgerückt und wollte nichts mehr mit mir zu tun haben. Außerdem liebt ihr eure Mutter. Die Liebe zu euren Eltern ist die unkomplizierteste Liebe, die ihr jemals haben werdet. Warum sollte ich sie euch nehmen? Das hätte mir meinen Sohn auch nicht zurückgebracht … Ich hielt es für besser, euch glauben zu lassen, ich sei eine böse Hexe, als euch gegen eure eigene Mutter aufzuhetzen.«
»Seht ihr?«, sagte Beatrice. »Versteht ihr jetzt, warum ich sie herbringen musste? Es ist einfach unfair. Mum, Dad, ihr wart so egoistisch! Erst vermasselt ihr’s, und dann vertuscht ihr’s auch noch und macht Tante Chessie einfach zum Sündenbock! Dabei wollte sie nur in der schwersten Zeit ihres Lebens ihre Familie um sich haben!«
»Ich war das schwarze Schaf der Familie, Mary das Dummerchen. Und du warst die kleine Königin.« Chessie hatte die Stimme gesenkt und sah Gertie an. »Unsere Eltern haben dich immer mehr geliebt als mich. Du hattest keine Ahnung, wie es sich anfühlt, nicht gemocht zu werden, auf Ablehnung zu stoßen. Und dann hast du mir aus einer Laune heraus meinen Sohn genommen, weil du dachtest, das Leben würde es mit ihm genauso gut meinen wie mit dir.«
»Hör
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