Die äußerst seltsame Familie Battersby (German Edition)
sie an Informationen hatten, aus der Nase ziehen. So erfuhr Gertie, dass Beatrice sich aus den Mauern des familieneigenen Schlosses in Cecils Wunsch eingeschlichen hatte. Das verschlug ihr die Sprache. Sie hörte, dass ihre Tochter in einen goldenen Reif verwandelt worden war, und sie fasste sich entsetzt an den Hals. Sie bekam heraus, dass sich Beatrice und ihre anderen Kinder während einer gewaltigen Elfenrevolution in einem schwankenden Schlossgemach aufgehalten hatten, und sie begann erregt auf und ab zu gehen. Als sie dann auch noch erfuhr, dass dieses Gemach eingestürzt war, fiel sie in Ohnmacht. Sobald sie wieder zu sich kam, wollte sie wissen, was mit Beatrice passiert sei – alles, jede Einzelheit. Aber von da an gab es keine Gewissheiten mehr.
»Sicher ist sie irgendwie abgehauen«, meinte Daphne.
»Ja, genau, wahrscheinlich ist sie irgendwie rausgekommen«, pflichtete ihr Cecil bei.
»Vielleicht war sie zusammen mit uns in Daphnes Wunsch, nur dass wir ihr nicht begegnet sind«, mutmaßte Ralph. Er war so kreideweiß im Gesicht, als wüsste er selbst, wie absurd das klang.
»Oh, mein Kind, mein Kind!«, jammerte Gertie, schlug die Arme über dem Kopf zusammen und fiel auf die Knie.
In genau diesem Moment kam Beatrice durch die Tür spaziert.
Sie war wunderschön, wie aus einer anderen Welt, wie Menschen auf retuschierten Fotos. Alle Schönheitsfehler waren wie ausradiert; sie schien ganz und gar eins mit sich selbst. Ihre weiße Haut war blasser denn je, und das schwarze Haar lag wie ein feiner Rahmen um ihr Gesicht. Ralph brauchte einige Zeit, um mit Beatrice’ plötzlicher Schönheit klarzukommen. Irgendwann aber fiel es ihm dann doch auf: Es war seltsam, dass seine Cousine aus dem Inneren des Schlosses aufgetaucht war. Cecil, Daphne und er waren dreckig und unterkühlt auf dem Dach zu sich gekommen. Beatrice hingegen kam perfekt gestylt aus ihrem Zimmer getänzelt, als hätte sie gerade ein kurzes Mittagsschläfchen gehalten.
»Beatrice!« Gertie eilte mit Daphne im Schlepptau auf sie zu.
Beatrice sah sie so scharf an, dass beide abrupt stehenblieben. »Mutter, bitte, es geht mir gut!«
»Was ist passiert?«
»Ich war in Cecils Wunsch, aber ich bin rausgekommen. Jetzt bin ich hier, mach dir also bitte keine Sorgen!«
»Hör zu, Fräulein, es gibt da schon ein paar Dinge, die wir zu klären haben. Wir hatten euch strengstens verboten, mit Chessie zu reden, und du …«
»Ich habe versucht, meinen Bruder zu retten, Mum. Wenn du schon auf jemanden sauer sein willst …«
»Untersteh dich, mir ins Wort zu fallen, wenn ich mit dir rede!« Gertie versuchte streng auszusehen. Aber gerade in diesem Moment schwankte das Schloss in den Himmelswinden, und sie strauchelte.
»Er hat gelogen. Er hat gesagt, keiner von uns dürfe mit Chessie reden. Aber dann hat er’s selbst getan.«
»He, was denn!«, ereiferte sich Cecil. »Hast du eigentlich eine Ahnung, was ich durchgemacht habe? Warum gehst du jetzt auf mich los? Bloß weil ich die Welt ein bisschen besser machen wollte, anstatt immer nur auf mich selbst zu schauen wie eine gewisse egozentrische Gothic-Braut? Bloß weil ich bereit war, für meinen Wunsch alles aufs Spiel zu setzen?«
Beatrice winkte müde ab. »Schau, wir müssen damit jetzt irgendwie klarkommen. Cecil hat seinen Wunsch bekommen, Mum, und dann hat sich Daphne etwas gewünscht, um ihn zu retten. Die beiden sind wohlbehalten zurück. Ja, ja, ich weiß, dir wäre es lieber, wir hätten die ganze Wünscherei gelassen. Aber es hat ja funktioniert, und ich bin mir sicher, dass wir alle etwas fürs Leben gelernt haben, wie das bei einem Wunsch ja auch sein soll. Wenigstens hatten wir jetzt dieselbe Chance, die du hattest, als du ein Kind warst.«
»Du hast auch mal einen Wunsch erfüllt bekommen, Mummy?«, wollte Daphne wissen.
»Beatrice«, sagte Gertie, »oh, meine Beatrice, ich bin so froh, dass du wieder da bist!«
»Und ich habe jemanden mitgebracht«, erklärte Beatrice unvermittelt.
»Aha, und wen?«, fragte Gertie neugierig. Aber da sah sie auch schon, wer aus dem Beatrice-Flügel kam. »Nein, Beatrice, Schatz, das kannst du nicht machen!«
»Mum und Dad – Chessie. Chessie – Mum und Dad. Ich glaube, ihr könnt euch noch aneinander erinnern.«
Während Beatrice wie eine makellose, gereinigte Nachbildung ihrer selbst aussah, traf auf Chessie das genaue Gegenteil zu. Die Locken hingen schlaff um ihr fahles Gesicht. Allerdings war ihr neues abgewracktes
Weitere Kostenlose Bücher