Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)
zunächst für eine Woche im Bezirksklinikum Erlangen untergebracht wurde. Dass sich danach aber der zuständige Sachverständige für befangen erklärt hat. So weit, so richtig. Zumindest fast. In einem Schreiben an den Amtsrichter vom 1. Juli 2004 hat besagter Gutachter tatsächlich seine Befangenheit erklärt und darum gebeten, von diesem Auftrag entbunden zu werden. Mollath sei am 30. Juni 2004 in die Klinik eingeliefert worden, in der Woche davor habe er aber durch Zufall Kontakt mit Mollath gehabt. Denn der Gutachter wohnt neben einem Mann, den Mollath in seinen Schreiben und Anzeigen bei der Justiz immer wieder als Bekannten seiner Frau benannt hat, in Verbindung mit deren dubiosen Geldgeschäften. Er sei mit diesem Nachbarn »freundschaftlich verbunden«, schreibt der Gutachter. Und er habe mit ihm bereits über die Sache Mollath ausführlich gesprochen. Allein deshalb hielt sich der Gutachter für befangen. Außerdem sei eines Tages Gustl Mollath in der Straße aufgetaucht, auf der Suche nach dem vermeintlichen Komplizen seiner Frau. Er will ihn offenbar persönlich zur Rede stellen. Zufällig trifft er ausgerechnet jenen Psychiater, den das Gericht später mit seiner, Mollaths, Begutachtung beauftragen wird. Es kommt auf der Straße zu einem spontanen Gespräch zwischen den beiden, bei dem es wohl auch um Schwarzgeldverstrickungen geht. Ein kurioser Zufall.
Der Psychiater bestätigt später all dies. Und er handelt zumindest insofern korrekt, als er einige Zeit später gebeten wird, diesen Mollath zu begutachten. Er schreibt an das Gericht, dass ihn sein Nachbar »ausführlich über seine Sichtweise der Angelegenheit Mollath« informiert habe. Die Sichtweise dürfte zweifellos in eine bestimmte Richtung gegangen sein: Was dieser Mollath erzähle, das dürfe man nicht so ernst nehmen. Deswegen und wegen der »damit verbundenen persönlichen Verquickung« sehe er sich außerstande, »mit der notwendigen Objektivität« das angeforderte Gutachten zu erstellen. Er geht sogar noch weiter und bittet das Gericht, auch keinen seiner Kollegen aus der Erlanger Klinik zu beauftragen. Denn deren Struktur sei »stark durch meine Person bzw. die hiervon ausgehenden Einschätzungen geprägt«.
Es ist zumindest insoweit ein nachvollziehbares Verhalten des Gutachters. Doch was macht Richter Brixner im Urteil seiner 7. Strafkammer daraus? Seite sieben: Der Erlanger Sachverständige habe im Juli 2004 darum gebeten, »ihn von der Gutachten-Erstellung zu entbinden, weil der Sachverständige von Nachbarn des Angeklagten privat auf dessen Zustand angesprochen worden sei«. Auch das ist vollkommener Blödsinn. Es waren nicht Nachbarn des Angeklagten, also nicht Nachbarn Mollaths, sondern es war ein Nachbar des Gutachters.
Hier wird nicht aus einem Schulaufsatz zitiert. Auch nicht aus privaten Skizzen eines juristischen Hilfsangestellten. Sondern aus der Urteilsbegründung eines bayerischen Landgerichtes, die wesentlich war, um einen Menschen anschließend für mehr als sieben Jahre wegzusperren. Die Befangenheitserklärung des Gutachters lag schriftlich vor. Man hätte sie lesen können.
In diesem schlampigen, fehlerhaften Stil geht es weiter. Die Beschreibung der angeblichen Körperverletzung auf Seite zehn des Urteils ist in bestimmten Teilen übernommen aus dem ärztlichen Attest über die Verletzungen und die Schilderungen der Ehefrau. Es wird nicht abgewogen, diskutiert, hinterfragt oder wenigstens im Konjunktiv sauber zitiert. Es wird einfach festgestellt. Eins zu eins. Mollath hat seine Frau in der gemeinsamen Wohnung »ohne Grund mindestens zwanzig Mal mit beiden Fäusten auf den gesamten Körper« geschlagen. Ein merkwürdiger Satz. Er lässt keinen Spielraum, er fragt auch nicht nach einem möglichen Motiv. Ein Ehemann schlägt ohne Grund, ohne Anlass, offenbar aus einer spontanen Lust heraus seine Frau mit Fäusten? Zwanzig Mal? Einfach so? Völlig anlasslose Attacken soll es geben. Aber irgendwie begründete Attacken erheblich häufiger. Ist es nicht Aufgabe eines Gerichtes, die Plausibilität einer Beschuldigung zu überprüfen?
Noch merkwürdiger: Im zugrundeliegenden Attest ist von Schlägen »mit der flachen Hand« die Rede. Im Urteil von »beiden Fäusten«. Flache Hand oder beide Fäuste? Das ist ein immenser Unterschied. Diesen Widerspruch müsste man nun diskutieren. Nichts davon.
Hätte man Mollaths dem Gericht vorliegende Briefe zur Kenntnis genommen, hätte man sich ernsthaft die Mühe gemacht, die
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