Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)
Verbindung. Es folgt als Beleg über die »fast allen« erneut: ein einziges Beispiel. Und abermals ist es der falsche Hinweis auf den Gutachter aus Erlangen. Fast ist man geneigt zu sagen: Wahnsinn.
Es bleibt von diesem Urteil: Mollath wandert in die geschlossene Psychiatrie. Er war nicht vorbestraft. Nach Einschätzung von Juristen wären seine vermeintlichen Taten höchstwahrscheinlich mit einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe bestraft worden. In einem Hintergrundgespräch sprach ein Spitzenjurist der bayerischen Justiz, der mit der Sache Mollath vertraut war, im Januar 2012 von einer »Bewährungsstrafe von höchstens 15 Monaten« wegen gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung und Freiheitsberaubung, die Mollath zu erwarten gehabt hätte – wenn er denn überhaupt in allen Punkten schuldig gesprochen worden wäre.
Das bedeutet: Mollath hätte den Gerichtssaal auf freiem Fuß verlassen können. Als freier, wenn auch verurteilter Mann. Durch den Freispruch, der ihm »Schuldunfähigkeit« nachsagt, wurde er jedoch mehr als sieben Jahre seiner Freiheit beraubt.
Es ist also ein fragwürdiges, von Fehlern und Ungereimtheiten durchsetztes Urteil, das Gustl Mollath in die Psychiatrie bringt. Der Vorwurf der Körperverletzung ist nicht hinreichend untersucht worden; nicht einmal Mollaths Teilgeständnis wurde zur Kenntnis genommen. So bleibt einiges offen, auch der Vorwurf einer möglicherweise perfiden, viele Menschen gefährdenden Reifenstecherei. Für das Gericht ist sie eindeutig erwiesen. Fast vier Seiten lang wird in der Urteilsbegründung geschildert, wessen Reifen Gustl Mollath wann zerstochen haben soll. Allein, es fehlt jeglicher Beweis dafür, dass es tatsächlich so war.
Einzig die Reihe der Geschädigten könnte darauf hindeuten. Es sind Menschen, die Gustl Mollath zwangsläufig zu seinen Gegnern zählt: der Lebensgefährte seiner Exfrau und einige seiner Freunde, ihr Scheidungsanwalt, ein Sachverständiger, der Mollath zuvor vor Gericht für psychisch krank erklärt hatte, ein Gerichtsvollzieher, der von Mollaths ehemaliger Frau mehrfach mit Zwangsvollstreckungen bei Gustl Mollath beauftragt worden war, um nur einige zu nennen. Es waren aber auch die Autoreifen eines Immobilienunternehmers darunter, der nie etwas persönlich mit Mollath zu tun hatte. Die Polizei zählte 129 zerstochene Reifen und bezifferte den Gesamtschaden – weitere, kleinere Sachbeschädigungen an Autos eingerechnet – auf rund 10000 Euro.
Was man neben dem Gros des betroffenen Personenkreises ebenfalls als Indiz gegen Gustl Mollath werten kann: Viele der Reifen wurden mit einem dünnen, runden Stechwerkzeug so zerstochen, dass die Beschädigungen mit bloßem Auge nicht erkennbar waren und die Luft erst dann langsam entwich, wenn das Auto mit höherer Geschwindigkeit fuhr. Mithin also eine besonders gefährliche Methode, die zu verheerenden Unfällen im Straßenverkehr hätte führen können. Polizeibeamte waren sich sicher, dass dies nur ein Fachmann so kann. Ein Fachmann wie Gustl Mollath, der Reifenfachmann und Autofreak.
Bewiesen allerdings ist nichts. In seinem zehnseitigen Abschlussbericht unter dem Aktenzeichen 5425-000269-05/7 vom 12. Mai 2005 kommt der zuständige Sachbearbeiter der Polizeiinspektion Nürnberg-Ost zu dem Schluss: »Aufgrund der nach den Ermittlungen vorliegenden Fakten ist der Beschuldigte Mollath als Verursacher der angezeigten Schäden anzusehen.« Doch es gibt weder einen tatsächlichen Beweis noch einen Zeugen, der Gustl Mollath beim Reifenstechen beobachtet hat. Dafür aber belastet ihn einmal mehr seine Exfrau.
Was es gibt, sind Fingerabdrücke. Bei einem durch die Reifenstechereien Geschädigten wurde zudem in dessen Garage und im Keller gelagertes Schießpulver über den Boden verstreut und so unbrauchbar gemacht. Zudem ging dazu ein anonymes Schreiben bei der Feuerwehr ein, auf dem sich Fingerabdrücke befanden: »Die gesicherten daktyloskopischen Fingerspuren konnten jedoch nicht dem Tatverdächtigen Mollath zugeordnet werden«, heißt es im polizeilichen Ermittlungsbericht.
Dann sind da noch Videoaufzeichnungen, die eine an einem Wohnhaus angebrachte Kamera am 1. Februar 2005 aufgezeichnet hat. Sie zeigt, wie ein Mann um 4:08 Uhr vier Autoreifen vor dem Haus zersticht. Das Gesicht der Person ist allerdings nicht zu erkennen, lediglich eine dunkle Gestalt. Drei Tage später führt die Polizei der damaligen Frau von Mollath die Aufnahmen vor. Darüber notiert der
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