Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)
nachdem sie Brixner aufgeworfen hat, nicht mehr. Denn Concepción Vila Ambrosio ist nicht mehr allein mit ihren Vorwürfen. Titus Schüller, 26, war ebenfalls Augenzeuge im Prozess am 8. August 2006. Er kann alles, was die Altenpflegehelferin aufgeschrieben hat, im Grundsatz bestätigen. Schüller ist Orthopädietechniker, mitgeschrieben hat er nicht bei dem Prozess. Und einen Beschwerdebrief hat er danach ebenfalls nicht verfasst. Der Prozess aber ist auch ihm nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Dass es in der Verhandlung praktisch gar nicht um den von Mollath beschriebenen »Schwarzgeldkomplex« ging, sagt auch Schüller. Einfach deshalb, weil der Vorsitzende Richter davon nichts habe hören wollen. Wann immer Mollath angefangen habe, darüber zu sprechen, habe er ihn barsch unterbrochen. Weil es ja darum – angeblich – nicht gehe in dem Prozess. Tatsächlich nicht?
Gewiss, die Anklage lautete an diesem Tag auf »Körperverletzung u.a.«. Aber die Verteidigung des Gustl Mollath war darauf aufgebaut, dass er diese Vorwürfe als Falschbeschuldigungen zurückweisen und entlarven wollte. Mollaths Argumentationskette sah, zusammengefasst, so aus: Ich habe meine Exfrau nicht schwer misshandelt. Ich habe sie nicht gegen ihren Willen festgehalten. Ich habe keine Autoreifen zerstochen. Das alles wird mir nur vorgeworfen und soll mir angehängt werden, weil ich ihr und anderen Schwarzgeld- und andere illegale Geldgeschäfte in der Schweiz nachweisen kann und will. Deswegen werde ich falsch beschuldigt, um mundtot gemacht zu werden.
Ob es so war, sei dahingestellt. Unbestritten ist, dass man Gustl Mollath Gelegenheit hätte geben müssen, seine Argumentation vorzutragen, sie zu begründen, plausibel zu machen. Tatsächlich aber hat der Vorsitzende Richter den Angeklagten nach Angaben mehrerer Augenzeugen nicht aussprechen lassen, wenn dieser das mögliche Hauptmotiv für eine Falschbeschuldigung nennen wollte. Titus Schüller hat es so erlebt: »Es war verheerend. Vor allem, wenn man, wie Brixner, davon ausging, es mit einem Kranken zu tun zu haben.« Er habe als Zuhörer und Zuschauer den Angeklagten Mollath im Prozess als »extrem konzentriert« wahrgenommen. Mollath habe versucht, möglichst nur bei belegbaren Fakten zu bleiben. Und hatte erkennbar große Angst, man könnte ihm was anhängen.
Schüller und Mollath kannten sich aus der Friedensbewegung und trafen sich verschiedentlich in den Monaten vor dem Prozess. Er beschreibt ihn als sanftmütigen und sehr höflichen Menschen, der sich gegen den Irakkrieg engagiert hat. Wie sich Gustl Mollath verhalten habe? Es habe Zeiten gegeben, in denen Mollath regelrecht in Panik geraten sei. Offenbar weil er wahrzunehmen glaubte, vermutet Schüller, dass es da möglicherweise Menschen mit Einfluss geben könnte, denen sein Wissen um fragwürdige Geldgeschäfte nicht in den Kram passen könnte. Besonders schlimm sei es geworden, nachdem sein Haus von einem Dutzend Polizisten auf den Kopf gestellt worden war und Mollath sich nicht recht erklären konnte, warum. Allein dass die Beamten sein Elternhaus nach Waffen durchsuchten, habe Mollath beunruhigt, sagt Schüller. Schließlich sei er einer der engagiertesten Friedensaktivisten der Stadt gewesen. Wer ihn kannte, wusste um seine Haltung, was Waffen betrifft. Wie also sollte Mollath anders reagieren, fragt sich Schüller, als mit dem Gedanken, dass ihm da gerade einer etwas anhängen will? Zumal der Hinweis von seiner Frau ausging: einem Menschen, mit dem Mollath zu dem Zeitpunkt mehr als zwei Jahrzehnte liiert war. Und der also hätte wissen müssen, was er von Waffen hält.
Heinz Westenrieder war am 8. August 2006 im Prozess gegen Gustl Mollath Schöffe, Laienrichter also, in jener 7. Strafkammer unter dem Vorsitz des Richters Otto Brixner. Und er schämt sich heute dafür. Westenrieder, inzwischen ebenfalls Pensionär, stand in seinem beruflichen Leben zwei Kliniken als Direktor vor. Er gibt an, als Schöffe bei etwa 60 Verfahren auf der Richterbank gesessen zu haben. Einen so scharfen Ton eines Vorsitzenden wie in dem Prozess gegen Mollath habe er allerdings niemals sonst erlebt. Otto Brixner habe den Angeklagten mehrfach scharf zurechtgewiesen, er solle zu dem »Schwarzgeldkomplex« schweigen. Einmal habe er ihm sogar gedroht, er müsse – sollte er partout nicht schweigen wollen – den Saal verlassen.
Westenrieder bestätigt die Angaben von Vila Ambrosio und Schüller über den Prozessverlauf. Er selbst hat jahrelang
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