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Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)

Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)

Titel: Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Ritzer , Olaf Przybilla
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»Generalschlüssel-Affäre«, die durch einen Bericht der Nürnberger Nachrichten aufflog. Ein Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft hatte zwei Häftlingen aus der benachbarten Justizvollzugsanstalt einen Generalschlüssel übergeben, mit dem diese wochenlang Zugang zu allen Büros im Justizpalast hatten.
    Im März 2009 sorgt in Nürnberg für Schlagzeilen, dass eine Betrügerbande nach einem Jahr und vier Monaten aus der Untersuchungshaft entlassen werden musste, weil die Hauptverhandlung gegen sie zu spät angesetzt wurde.
    Und dann war da noch die peinlichste Affäre von allen, die Auto-Affäre.
    Zwei Nürnberger OLG-Präsidenten und zwei Generalstaatsanwälte ließen über Jahre hinweg ihre Privatautos in der Dienstwerkstatt warten. Justizbedienstete wechselten die Reifen, mal für ein Trinkgeld in der Mittagspause, mal während der Dienstzeit. Praktischerweise wurden die Sommer- und Winterreifen auch gleich in der Dienstwerkstatt gelagert. Das spart schließlich Zeit und Geld. Ein OLG-Präsident ließ seinen Privatwagen sogar vom Chauffeur in die Justizwerkstatt fahren. Außerdem musste ihn der Fahrer im Dienstwagen zu den wöchentlichen Rotarier-Treffen chauffieren – etwa 40 Mal im Jahr, also fast jede Woche. Schließlich kommt man viel bedeutender und wichtiger rüber, wenn man die Karre nicht selbst fährt, sondern kutschiert wird.
    Diese Vorgänge sind zu einem großen Teil nachzulesen in einem Sonderbericht der beiden Leitenden Oberstaatsanwälte Rüdiger Hödl und Helmut Vordermayer. Nachdem vornehmlich von SZ und NN eine Affäre nach der anderen publik gemacht wurde, hatte Justizministerin Merk die beiden Spitzenjuristen aus München und Traunstein nach Nürnberg geschickt. Am 8. Oktober 2009 legte die Ministerin den Untersuchungsbericht im Landtag vor, nebst einer eigenen, elfseitigen Bewertung.
    »Überwiegend«, so ihr eigenwilliges Fazit, hätten sich »die in den Medien erhobenen Vorwürfe als unberechtigt herausgestellt«. Strukturelle Schwachstellen bei der Nürnberger Justiz gebe es nämlich nicht; es handele sich vielmehr um Pannen oder Fehler Einzelner. So weit möglich habe man diese inzwischen abgestellt. Hödl und Vordermayer beklagten in ihrem Untersuchungsbericht »teilweise unwahre und ehrverletzende Behauptungen und Andeutungen« in den Medien, die sich »erheblich auf das Befinden, die Motivation und sogar die Gesundheit« der Nürnberger Justizmitarbeiter auswirken würden. Das passt zu den wehleidigen Klagen des Leitenden Nürnberger Oberstaatsanwaltes, nachdem die Verfehlungen scheibchenweise und nicht durch eigenes Zutun der Justiz, sondern durch Medienberichte bekannt geworden waren. Darüber hatte sich der Chef der Staatsanwaltschaft zornig mokiert, dass Totschlag verjähre, nicht aber Reifenwechsel in der Dienstwerkstatt.
    Mit Verve zog er zugleich über jene Mitarbeiter in den eigenen Reihen her, welche er als Informanten der Medien vermutete. Man könne sich seine Leute halt nicht aussuchen. Der Zorn galt also den Überbringern der schlechten Nachrichten, nicht ihren Verursachern. Hatte da ein ranghoher Jurist nicht begriffen, dass es nicht um Bagatellen und Ehrpusseligkeiten geht? Ganz abgesehen davon offenbarten viele der Äußerungen eine erschreckend unterentwickelte Selbstkritik. Das Agieren führender Juristen in Frage zu stellen, sie gar zu kritisieren, empfinden manche der Betroffenen offenbar als eine Form von Majestätsbeleidigung: eine ganz offenkundige Parallele zwischen der Dienstwagenaffäre von damals und dem Fall Mollath von heute.
    Dabei, und das übersehen Gerichtspräsidenten und Generalstaatsanwälte gerne, benötigt auch die Justiz die Akzeptanz der Bevölkerung. Gerade wer über andere richtet, darf sich selbst nicht angreifbar machen. Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit. Auch muss sich eine unabhängige Justiz kritischen Fragen stellen – sowohl aus den Reihen der Politik als auch der Medien und der Öffentlichkeit. Das höhlt auch weder ihre Unabhängigkeit aus, noch stellt es das Justizwesen als solches in Frage.

    Doch zurück zur Affäre Mollath, die trotz aller widrigen und hässlichen Umstände keineswegs als symptomatisch für die Justiz in Gänze steht, ja nicht einmal speziell für jene in Bayern oder die in Nürnberg. Die Mehrzahl der Richter und Staatsanwälte macht einen seriösen und sauberen Job nach bestem Wissen und Gewissen. Im Freistaat haben sich vor allem Staatsanwälte, aber auch Richter zudem vielen politischen Einflüssen

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