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Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)

Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)

Titel: Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Ritzer , Olaf Przybilla
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Staatsanwaltschaft würde, nicht auch noch in seiner Freizeit über eng geschnittene Vereine wie Rotary oder Lions mit denen vernetzte, über die er im Zweifelsfall zu richten oder gegen die er zu ermitteln hätte. Vielleicht täte da mehr Distanz gut anstatt ehrpusseliger Eitelkeit, weil man doch nun auch zur rotarischen Elite dazugehört. Oder noch klarer formuliert: Gerichtspräsidenten, Leitende Staatsanwälte, Chefs von Finanzbehörden haben in solchen Bünden nichts zu suchen. Was übrigens eine Frage der Berufsehre sein müsste. Aber offenkundig nicht ist.
    Warum? Welche Möglichkeit hatte einer wie Mollath, um persönlich auf seine missliche Lage hinzuweisen? Er schrieb Eingaben, Briefe, Anzeigen. Alles blieb ungehört. Das Schlimmste aber war für ihn, so schildert er es selbst: dass er »nie persönlich« zu seinen Vorwürfen gehört wurde, zumindest nicht von Staatsanwaltschaft oder der Finanzverwaltung. Es meldete sich keiner, dem er auf Nachfragen hätte Details erläutern können. Den er hätte auffordern können, zu erläutern, was an Dokumenten eigentlich noch notwendig ist, um einen Nachweis führen zu können.
    Wie anders stellt sich die Situation für, sagen wir, einen Banker dar, der – wenn er mag – jede Woche Staatsanwälte, hohe Beamte der Steuerverwaltung oder auch Richter sprechen kann. Abends, im trauten Kreis. Bei einem Sekt. Und in einem Kreis, in dem man sich untereinander explizit als »rotarischer Freund« anspricht.
    Der Fall Mollath wäre im Übrigen die Steilvorlage schlechthin für die Politik, um daraus auch strukturelle Reformen im bayerischen Justizsystem abzuleiten. Mit dem Ziel, die Unabhängigkeit der Justiz zu stärken und ihr zugleich mehr Transparenz zu verschaffen. In Bayern entscheidet ausschließlich das Justizministerium und in letzter Konsequenz der Minister oder, wenn es besonders wichtig ist, der Ministerpräsident, wer Chef einer Staatsanwaltschaft oder Generalstaatsanwalt wird. Eine CSU-Mitgliedschaft ist für einen ambitionierten Bewerber heute womöglich nicht mehr so zwingende Karrierevoraussetzung wie noch zu Zeiten eines Strauß. Sie ist aber in einem Land, das seit Jahrzehnten von dieser Partei regiert wird und durchdrungen ist, ganz sicher alles andere als hinderlich. Im Gegenteil, Querdenker und Unbequeme tun sich da deutlich schwerer.
    Es böte sich an, was Richterverbände schon lange fordern und was andere Bundesländer bereits praktizieren: Wer Gerichtspräsident oder Chef einer Staatsanwaltschaft wird, sollte keine alleinige (politische) Entscheidung eines Ministeriums sein. Sinnvoll wäre es, eine Selbstverwaltungsstruktur aufzubauen, wo entsprechende Wahl-Fachausschüsse von Juristen und Politikern (auch von Nicht-Regierungsparteien) über solche Besetzungen entscheiden, und in denen das Ministerium nur eine von vielen Stimmen hat. Das wäre zumal dann transparent, wenn der Berufung eine entsprechende öffentliche Ausschreibung vorangehen würde.
    Eine andere Möglichkeit wäre es, Spitzenposten in einem Rotationssystem zu besetzen, also führende Staatsanwälte und Gerichtspräsidenten alle paar Jahre auszuwechseln. Und noch etwas müsste in der Justiz des Freistaats dringend geändert werden: Zwischen Richtern und Staatsanwälten herrscht ein munteres Hin und Her. Die beiden Felder sind schon in der Ausbildung extrem eng verzahnt. Wer heute noch als Ankläger im Gerichtssaal sitzt, urteilt dort schon morgen als Richter – oder umgekehrt. Juristen sagen, es sei nicht schlecht, beide Seiten zu kennen. Mag sein. Andererseits trägt dieses System dazu bei, dass sich Seilschaften bilden können, ein unguter Korpsgeist. Man kennt sich, und das womöglich zu gut. Im Fall Mollath drängt sich der Eindruck auf, dass er als Querulant im gesamten Nürnberger Justizapparat verschrien war und deshalb kein Richter und kein Staatsanwalt sich mehr unbefangen anhören wollte, was er zu sagen hat.

Kapitel 6
    Der moralische Bankrott der Hypovereinsbank
    Wolfgang Sprißler, Jahrgang 1945, ist nicht irgendwer im deutschen Bankenwesen. 1976 heuerte der promovierte Betriebswirt bei der Bayerischen Vereinsbank in München an, zwanzig Jahre später wurde er in deren Vorstand berufen, verantwortlich unter anderem für Finanzen, Controlling und innere Revision. Als die Bayerische Vereinsbank 1997 über einen Aktientausch mit der Hypo-Bank zur Hypovereinsbank (HVB) verschmolz, war Sprißler einer der wichtigsten Architekten des Deals im Hintergrund. Auch nach der Fusion

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