Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)
entzogen, die vor einigen Jahrzehnten noch gang und gäbe waren. Bayern und seine Justiz sind zu Beginn des dritten Jahrtausends nicht mehr das Bayern und die Justiz etwa zu Zeiten des Franz Josef Strauß. Vieles hat sich zum Positiven gewendet.
Ermittlungen wie im Siemens-Korruptionsfall von 2006 an wären im Bayern der sechziger, siebziger oder achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts mutmaßlich im Keim erstickt worden. Vermutlich hätte kein bayerischer Staatsanwalt sich getraut, gegen diesen mächtigen Konzern vorzugehen, er hätte damit seine Karriere ruiniert. Zu Urteilen wäre es vermutlich überhaupt nicht gekommen. Auch die Nürnberger Staatsanwaltschaft erwies sich in der Causa Siemens als ausgesprochen professionell, entschlossen und unbestechlich in ihrer Arbeit. Ihr war es vorbehalten, die illegale und heimliche Finanzierung einer von Siemens illegal finanzierten, arbeitgeberfreundlichen »Anti-Gewerkschaft« namens AUB aufzuklären und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen. Die dabei federführende Nürnberger Oberstaatsanwältin Antje Gabriels-Gorsolke erwies sich dabei als eine ebenso unvoreingenommene wie akribische und korrekte Ermittlerin und Anklägerin.
Denn politisch heikel war die Siemens-Affäre im Freistaat allemal. Es gab leibhaftige Minister der Bayerischen Staatsregierung, die sich hinter vorgehaltener Hand auch Journalisten gegenüber massiv darüber ausließen, man könne mit einem für Bayern so wichtigen Unternehmen nicht so umspringen, wie die Staatsanwaltschaften in München und Nürnberg sowie die Medien dies täten.
Aber: Es gibt nach wie vor politisch heikle Verfahren, deren Ablauf Zweifel zulassen. Dazu gehört der Steuerfall Diehl, das politisch brisanteste Verfahren in der Nürnberger Justiz seit langem.
Die Firma Diehl ist ein inhabergeführter Nürnberger Technologiekonzern, der sein Geld zu einem großen Teil mit Waffen verdient. Diehl stellt unter anderem Lenkflugkörper, Munition und Zünder her. Ein Unternehmen, das sich selten in die Öffentlichkeit drängt, tatsächlich aber im politischen Nachkriegsdeutschland immer bestens verdrahtet war. Karl Diehl, der Anfang 2008 im Alter von fast 101 Jahren verstarb, galt als enger Freund und Vertrauter von Franz Josef Strauß.
Das Verfahren, von dem hier die Rede sein soll, begann damit, dass eine Betriebsprüferin der Oberfinanzdirektion Nürnberg Gewinne aus Geschäften des Unternehmens mit Rheinmetall- und Krauss-Maffei-Aktien nachversteuert haben wollte. Es ging um 60 Millionen D-Mark. Diehl beschwerte sich gegen eine entsprechende Nachforderung und fand Gehör bei den Vorgesetzten der Finanzbeamtin. Diese wiesen die Frau schließlich an, ihre Betriebsprüfung abzuschließen und keine Forderung gegen Diehl zu erheben. Die Betriebsprüferin wehrte sich dagegen; daraufhin wurde ihr die Causa Diehl ganz entzogen.
Die Beamtin stellte deshalb Strafanzeigen wegen Steuerhinterziehung und Beihilfe dazu gegen den damaligen Seniorchef Karl Diehl – und Verantwortliche bei der Oberfinanzdirektion, ihre Vorgesetzten also. Ein Geheimgutachten soll damals die Position der Betriebsprüferin gestützt haben. Von angeblich fingierten Darlehen in Zusammenhang mit den Aktiengeschäften war die Rede. Auch in der Oberfinanzdirektion war die Steuerbefreiung für Diehl keineswegs unumstritten. Ein zweifellos kompliziertes und noch dazu ausgesprochen heikles Verfahren für die Nürnberger Staatsanwältin Carola D. (Name geändert), auf deren Tisch die Anzeigen landeten. Im Februar und April 2004 wurden die Ermittlungen in der Diehl-Sache eingestellt.
Später wird sich herausstellen, dass Diehl-Anwälte während des Verfahrens Einsicht in Ermittlungsakten erhielten, die sie nie hätten sehen dürfen. Angeblich nur »ein Versehen«, so Ministerin Merk damals.
Die Sache entwickelt allerdings einen faden Nachgeschmack. Denn pikanterweise trat die Schwägerin von Staatsanwältin Carola D. wenige Monate, nachdem die Ermittlungen eingestellt worden waren, im Dezember 2004 eine Stelle in der Firma Diehl an. »Zwei Jahre später«, so fanden die Nürnberger Nachrichten 2009 heraus, »wurde die damals 35-jährige Betriebswirtin Prokuristin und stieg in den Vorstand der Diehl-Verwaltungs-Stiftung auf«. Alles nur Zufall?
Die Firma äußerte sich dazu nicht. Das eine habe mit dem anderen überhaupt nichts zu tun, erklärte ein Nürnberger Justizsprecher. Die Einstellung der Ermittlungen und der Aufstieg der Schwägerin von Staatsanwältin
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