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Die Affen von Cannstatt (German Edition)

Die Affen von Cannstatt (German Edition)

Titel: Die Affen von Cannstatt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Mann gegenüber, den sie zuerst attraktiv fand.
    Feinde? Nein. Von oben betrachtet hatte Till keine Feinde. Der GF hat große Stücke auf ihn gehalten, den bekehrten Anarcho aus dem schwarzen Block. Der Fortschritt braucht zweierlei: das Feuer der Anarchie und die Kühle der Ordnung, habe ich den GF bei einem Sektanstoß auf einen neuen Großkunden sagen hören. Till lächelte dazu in seinem freitäglichen Casual-Look ohne Krawatte.
    Die Polizisten sind müde. Sie sind sicher auch nicht immer einverstanden mit den Anordnungen von oben. Sie haben vielleicht schon am Vormittag gemerkt, dass in diesem Haus über das Opfer – oder wie sie sagen: den Geschädigten – nicht viel zu erfahren ist. Von Affären hat wohl niemand berichtet.
    Ob sie denn glauben, dass es Mord war, fragt Arne.
    »Darüber können wir nichts sagen«, antwortet eine Beamtin. »Bei einem nicht natürlichen Todesfall ist es unsere Pflicht zu ermitteln.«
    Natürlich war Tills Tod sicher nicht. Oder nur zu natürlich. Er ist gefressen worden. Zumindest angefressen.
Es schneit, als ich um fünf zum Tor hinaustrete. Flocken hasten durch die Lichthöfe der Straßenlaternen. Die Lichter im Cannstatter Neckartal verschwimmen im Schneegestöber. Die Straße ist weiß.
    Auf der anderen Seite der Rommelstraße fällt der Weinberg Halde ins Tal. Er ist Teil des Travertinparks, der unterhalb von Römerkastell und Hallschlag von der Altenburger Steige bis hinüber zu den aufgelassenen Steinbrüchen Lauster, Schauffele und Haas reicht. Dort steht das Kraftwerk Münster. Auf der Halde haben einst die ersten Steinzeitmenschen gesessen. Im Travertin sind Waldnashörner und Waldelefanten versteinert. Hier auf der Höhe gründeten die Römer ihre Condistat, lange bevor der Stutengarten im Sumpf am Nesenbach angelegt wurde. Eigentlich müsste Cannstatt mit seinem Hafen und seinen Heilquellen Württembergs Hauptstadt sein.
    Der Neckar schlängelt sich in einer S-Kurve nach Norden hinaus. Die Weinberge wechseln ihre Uferseite, je nachdem, welche gerade nach Süden weist. Halde, Zuckerberg und Schnarrenberg. Dann kommt die Schleuse Hofen. Dort wurde Schmaleisen gefunden.
    Jetzt sind schon zweie tot, die ich aus Tübingen kenne.
Haftbuch, Sonntag, 14. April
    Gibt es einen gemeinsamen Nenner? Noch einen, außer dem mit mir und den Bonobos? Es muss einen geben. Irgendwo. Womöglich kennt Manuelas Mann Till aus Tübingen. Vielleicht hat er mit uns studiert und auch ich kenne ihn. Ich habe nicht die geringste Möglichkeit, es herauszufinden. Ich kann es nur Onkel Gerald sagen. Ihr müsst gucken, was mit Manuela und ihrem Mann ist. Ich soll mich nicht verrückt machen, antwortet er, sie tun alles, was in ihrer Macht steht.
    Sie haben zum Beispiel den Kollegen aufgetrieben, den Schmaleisen an besagtem 23. Dezember vor fünf Jahren aufgesucht hat. Ein Kanzleimitarbeiter hat da ziemlich herumtelefoniert.
    Und?, frage ich. Was sagt er?
    Er ist eine Sie. Sie hatten ein Techtelmechtel. Sie hat an diesem Tag mit Schmaleisen Schluss gemacht. Die Affäre hatte sich aus ihrer Sicht überlebt. Er ist darüber nicht glücklich gewesen.
    Sie könnte lügen, sage ich.
    Onkel Gerald nickt. Aber es könnte auch die Wahrheit sein. Ich soll mir darüber nicht den Kopf zerbrechen. Schmaleisens Tod ist für mein Verfahren nicht relevant. Eine Anklage, die diesen Fall mit einschließt, hat seines Erachtens keine Chance, zur Verhandlung zugelassen zu werden.
    Wann erheben sie denn endlich mal Anklage?, frage ich. Ich möchte einen Prozesstermin, etwas, worauf ich hinleben kann. Heute habe ich den ganzen Tag blauen Himmel zwischen den Wolken gesehen. Tagsüber hatte ich das Fenster offen. Ich höre die An- und Abfahrt der Besucher jenseits der Mauer. Es wird zögernd Frühling. Ich möchte ein Ende absehen können.
Haftbuch, Donnerstag, 18. April
    Ich höre im Radio: Die Bonobos sind ins neue Menschenaffenhaus umgezogen. Tierärzte haben sie mit dem Blasrohr in Narkose gelegt, mit einiger Angst auch Miabi, die zu Ostern ein Baby bekommen hat. Man wollte ja nicht aus Versehen das Baby treffen. Ist aber alles gut gegangen. Ich höre Heidruns Stimme. Sie sagt: Die eine oder andere Äffin wird noch einen Brummschädel von der Narkose haben. Aber sie haben alle mit viel freudig erregtem Geschrei das neue Gehege in Beschlag genommen (sicher auch mit viel Sex zum Stressabbau, was die Reporterin aber wohl rausgeschnitten hat), die Pflanzen besichtigt und sich aus Holzwolle Nester in den Hängematten

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