Die Ahnen der Sterne: Roman (German Edition)
»an Höflichkeit mangelt«. Hölle noch mal, was erwartet sie denn – Sendschreiben auf Pergament, die von bezopften Boten überreicht werden?
Braddock kam ihnen entgegen und schüttelte ihnen die Hand, dann forderte er Greg und Berg auf, sich zu setzen. Braddock, von drahtiger Erscheinung und etwas kleiner als Greg, wirkte konzentriert. Das dunkle Haar trug er kurz geschoren, wie es dem Reglement entsprach, und er hatte eine fahle Gesichtsfarbe und pockennarbige Haut. Seinen strahlenden Augen schien nichts zu entgehen.
Aber jetzt muss ich rausfinden, was du willst.
Greg, der dem Rebellen gegenüber Platz genommen hatte, lächelte, doch ehe er etwas sagen konnte, ergriff der Tygraner das Wort.
»Mr. Cameron, bevor wir anfangen, möchte ich Ihnen sagen, dass Lieutenant Ash mich über Ihren Hintergrund informiert hat, deshalb weiß ich, dass Sie kein offizieller Vertreter der Kolonieregierung sind.«
»Gegenwärtig gibt es keine Kolonieregierung, die den Namen verdient hätte«, entgegnete Greg.
»Aber Sie haben doch wohl eine bestimmte Position inne, einen Status, der Ihren Ansichten Gewicht verleiht?«
Greg runzelte die Stirn. In Anbetracht dessen, was ich durchgemacht habe, könnte man das so sagen … aye, aber das gilt nicht nur für mich.
»Möglicherweise«, antwortete er. Dann kam ihm ein Gedanke. »Möchten Sie um politisches Asyl ersuchen?«
»Politisches Asyl wäre eine gute Option«, sagte Braddock. »Übrigens nicht nur für mich und meine Besatzung, sondern für viele Tygraner, die nach einer neuen Heimat Ausschau halten.«
Lieutenant Berg hatte bislang kein Wort gesagt, doch auf einmal beugte er sich vor.
»Sprechen Sie von gewöhnlichen Bürgern auf Tygra, Nachtwandler?«
Braddock erwiderte Bergs Blick. »Ja, Sturmlöwe, so ist es.«
»Warum?«
»Sie sollten die Antwort eigentlich kennen – es heißt, Gideons Besatzung habe als Erste Rawlins’ Testament zu Gesicht bekommen, und Sie hätten sich auf dieser Welt ein gemütliches Schlupfloch gesucht.« Braddock blickte Greg an. »Wenn Sie dieses Schiff und seine Besatzung in Aktion erleben, werden Sie erkennen, dass wir Asyl mindestens ebenso verdient haben wie jene, die uns zuvorgekommen sind …«
»Hüten Sie Ihre Zunge, Nachtwandler!«, sagte Berg und erhob sich. »In diesem Moment befindet sich mein Captain auf der Planetenoberfläche und kämpft gegen Brolturaner und Droiden …«
»Immer mit der Ruhe, ihr beide!« Greg packte Berg bei der Schulter und drückt ihn auf seinen Stuhl nieder. Braddock lehnte sich zurück. »Also, ich habe keine Ahnung, was für Hahnenkämpfe Sie hier aufführen, aber eins lassen Sie sich gesagt sein – da braut sich ein mächtiges Gewitter zusammen, und wenn wir untergehen, gehen alle leer aus. Aber bevor wir weitermachen, würde ich gern ein wenig mehr über Rawlins’ Testament erfahren …«
Braddock wandte sich an einen seiner Offiziere, der ein flaches, schwarzes Datenpad aus einer Aktentasche nahm und es ihm reichte. Braddock schaltete es an einer Ecke ein, worauf an der Seite ein hauchdünner Bildschirm ausfuhr. »Ich finde, das sollten Sie sich ansehen«, sagte er und drehte das Pad so, dass Greg den Bildschirm sehen konnte.
Ein älterer Tygraner stellte sich als Captain Rawlins vor. Er fasste die offizielle Geschichtsversion zusammen, wonach die tygranischen Kolonisten mit den Zshahil, einer einheimischen intelligenten Spezies, konkurriert hätten, was nach vierzig Jahren zum Krieg geführt habe. Der Krieg endete demnach mit der Kapitulation der besiegten Stämme, worauf sie übers Meer zur weniger lebensfreundlichen äquatorialen Landmasse auswanderten. Dann erzählte Rawlins die wahre Gesichte. Er hatte seinen Bericht im Freien aufgezeichnet, in einem verfallenen Hafen, von dem aus die Zshahil angeblich fortgesegelt waren. Mit einem Messgerät ortete Rawlins im Umkreis der Hafenstadt zahlreiche Massengräber, und eine Maschine grub nichtmenschliche Gebeine aus dem Boden aus. Nachdem er die Toten auf eine Viertelmillion geschätzt hatte, beendete Rawlins seinen Bericht mit den Worten: »Die Gerüchte sind tot, zurückgeblieben ist die finstere Wahrheit«, sagte er. »Jetzt kennen wir die Wahrheit und wissen, dass wir fähig sind, ein ganzes Volk auszulöschen. Aber wird die Wahrheit befreiend wirken, oder wird sie uns verdammen?«
Als der Bildschirm schwarz wurde, lehnte Greg sich zurück und stellte fest, wie grimmig die anderen dreinschauten.
Wie wäre mir wohl zumute, wenn ich von
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