Die Ahnen von Avalon
darauf bestanden, dass Micail blieb, um ihre Kaste bei den Feierlichkeiten zu repräsentieren. Er gähnte und versuchte, den verschwommenen Blick seiner müden Augen klar zu bekommen. Die Nacht war mild, und es regte sich kaum ein Lüftchen. Die Feuerstellen, an denen die jeweiligen Häuptlinge der Clans und Stämme feierten, leuchteten wie verstreute Sterne. König Khattars Zelte standen am nächsten bei dem Steinkreis. Er thronte jetzt auf einer seltsam geformten Bank, über die seine Männer eine rote Kuhhaut geworfen hatten. Sein Neffe und Erbe, Khensu, saß auf einem Schemel zu seinen Füßen. Für die Gäste von Bedeutung waren weitere Bänke aufgestellt worden, während die Krieger des Königs lässig auf Fellen lümmelten, die am Boden ausgelegt worden waren. Tjalan und Antar und ihre Hauptleute hockten ein wenig entfernt, zusammen mit den Häuptlingssöhnen von anderen Stämmen.
Vor dem vollendeten Dreistein waren Fackeln aufgestellt worden, damit der König ihn weiterhin entzückt betrachten konnte. Roter Lichtschein spielte auf den beiden aufrecht stehenden Blöcken und dem schweren Querstein, der sie krönte; das Gebilde hob sich wuchtig gegen den Sternenhimmel ab, und Micail überkam plötzlich die seltsame Vorstellung, dass das Ganze einen riesigen Eingang zur Jenseitswelt darstellte. Und was würde ich finden, wenn ich zwischen ihnen hindurchginge? Erwartet Tiriki mich auf der anderen Seite?
Er hielt seinen Becher zum Nachfüllen hin und erkannte zu spät, dass die liebreizende Maid, die mit dem Krug herumging, Anet war.
»Eure Magie ist in der Tat großartig«, sagte sie, wobei sie sich näher als nötig zu ihm beugte, um Bier nachzuschenken. Wenigstens war sie diesmal vollständig bekleidet… Trotzdem wich Micail ein wenig zurück, benommen vom Duft ihres Haars. Daraufhin lachte sie leise, reichte den Krug an eines der anderen Mädchen weiter und setzte sich neben ihn auf die Bank.
»Nun, da der Stein aufgerichtet ist, braucht Ihr ja nicht länger allein zu schlafen, nicht wahr?«
»Ihr wisst, dass mein Prinz es mir nicht erlauben wird zu heiraten…«
Sie schüttelte den Kopf, und ihre Augen blitzten auf. »Da kann ich nur lachen. Das müsst Ihr meinem Vater sagen, nicht mir. Ich weiß, dass Ihr in der Rangordnung auf gleicher Höhe steht. Aber Ihr braucht keine Angst zu haben. Es ist mein Vater, der sich die Sache mit der Heirat in den Kopf gesetzt hat. Mir wäre das nie eingefallen.« Sie lehnte sich mit einem verführerischen Lächeln an ihn, und ihr Körper fühlte sich selbst durch den groben Stoff seiner Tunika warm an.
Micail hob die Hand, um sie wegzuschieben, doch irgendwie legte sie sich stattdessen auf ihr seidenweiches Haar. Er runzelte verwirrt die Stirn. »Aber warum… Warum seid Ihr…?« Was macht Ihr da?, hätte er eigentlich fragen wollen, doch die Zunge wollte ihm nicht gehorchen.
»Ihr dient doch der Wahrheit«, sagte sie. »Könnt Ihr ehrlich behaupten, dass Ihr mich nicht begehrt?«
Er spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss - und noch an eine andere Stelle -, und unwillkürlich zog er sie näher an sich, und ihre Lippen trafen sich. Ihr Mund war sehr süß, und ihm wurde schmerzlich bewusst, wie lange es her war, dass er eine Frau in den Armen gehalten hatte.
»Ihr habt mir geantwortet«, sagte sie, als er sie schließlich losließ. »Jetzt will ich Euch antworten. Ich möchte nicht Eure Gemahlin werden, o Prinz aus den fernen Landen. Aber ich möchte Euer Kind zur Welt bringen.«
Ihre Hand wanderte tiefer. Er konnte jetzt gewiss nicht leugnen, dass er sie begehrte. »Nicht hier, nicht jetzt«, sagte er mit heiserer Stimme. »Euer Vater könnte uns sehen.« Und tatsächlich, im selben Augenblick hörte er König Khattar seinen Namen rufen.
Micail drehte sich mit einem Ruck um. Der König lächelte - hatte er sie beobachtet?
»Die Steine sind also aufgerichtet, wie? Die ganze Welt kann meine Macht sehen!« Das königliche Lachen hallte von den Wänden wider. »Jetzt ist die Zeit gekommen, um sie zu nutzen!«
Micail straffte sich beunruhigt.
Khattar beugte sich vor, sein Atem roch nach Wein und Fleisch. »Wir werden es ihnen zeigen, jawohl! All denen, die nicht dem Stier folgen! Dem Volk des Hasen, den Ai-Akhsi, die in dem Land leben, das man Beliri'in nennt, und die sich uns widersetzen, den Ai-Ilf, dem Eber-Stamm im Norden, der unsere Kühe stiehlt! Wir werden sie angreifen, nicht um zu plündern, sondern um zu erobern, denn wir werden Schwerter haben,
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