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Die Ahnen von Avalon

Die Ahnen von Avalon

Titel: Die Ahnen von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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habt…« Er sah nacheinander jeden einzelnen Stimmführer des Chors eindringlich an. »Ich gebe die Töne vor, dann richten die Bassstimmen ihren Schall zum Stein hin. Der Akkord baut sich auf, schwillt an, und ich werde ihn lenken. Vergesst nicht, das Entscheidende ist die Klangrichtung, nicht die Lautstärke. Lasst uns beginnen!« Sehr leise summte er die kurze und harmlos scheinende Tonfolge, die sie während der vergangenen Tage geprobt hatten.
    Haladris hob die Hand, und die drei Bassstimmen - Delengirol, Immamiri und Ocathrel - stimmten ein wortloses und so tiefes Summen an, dass dessen Schwingungen geradewegs aus der Erde zu kommen schienen. Der Stein bewegte sich natürlich noch nicht, doch das erste Rühren einzelner Partikel in seinem Innern war für Micails geistiges Auge bereits wahrzunehmen.
    Jetzt gesellten sich die Baritonstimmen hinzu, wobei Ardral und Haladris zunächst vorherrschten, um sich dann an Metanor, Reualen und die anderen, die in dieser Stimmlage sangen, anzupassen, bis all ihre Kehlen die gleichen vollen Töne hervorbrachten. Die Energie, die um den Stein herum schimmerte, auf den ihr Gesang gerichtet war, wurde nun beinahe schon für das gewöhnliche Auge sichtbar, als Micail und die anderen Tenöre in die zunehmende Klangfülle einfielen und den mittleren Tonbereich ausfüllten.
    Bald schwankte der Stein, und an seiner nach innen gewölbten Oberfläche schimmerte ein gespenstisches Licht, das aus seinem Innern zu strahlen schien. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, da größte Sorgfalt vonnöten war, um den Stein nicht zu zerschmettern, sondern ihn anzuheben.
    Die Altstimmen fielen in die Harmonie ein, dann folgten die Soprane, wodurch der Gesang beinahe zur doppelten Lautstärke anschwoll und zu einem klanglichen Regenbogen von überwältigender Fülle wurde. Der Stein bewegte sich - der Boden darunter wurde sichtbar.
    Die Sänger stiegen mit sanfter Modulation die Tonleiter aufwärts, und der Stein hob sich über ihre Kniehöhe, dann auf Taillenhöhe, und je höher die Töne wurden, desto höher stieg der Stein, bis er sich auf der Höhe ihrer Schultern befand und sich schließlich über ihre Köpfe erhob. Micail spürte die gewaltige Kraft, die durch Haladris und um diesen herum strömte, während er seinerseits seine Gabe einsetzte, um diese Kraft noch zu steigern und zu verfeinern.
    Die aufrecht stehenden Steine des Trilithen maßen dreifache Manneshöhe. Während der Deckstein an seinen Platz schwebte, neigten die Sänger die Köpfe nach hinten, um ihn nicht aus den Augen zu lassen.
    Wieder beherrschte Micails strenger Wille seine Gefühle, während die sich langsam hebenden Arme des Erzpriesters ihre Stimmen höher dirigierten - und damit auch den großen Steinklotz. Micail beobachtete, wie er auf der Klangwoge ritt, und spürte, wie sich sein Geist ausdehnte und von einer Freude erfüllt wurde, die vollkommen rein war. Das ist es - dieser Gedanke huschte durch sein Bewusstsein -, wonach wir streben. Nicht Macht, sondern Harmonie …
    Der Stein zögerte, verharrte in der Schwebe über den senkrechten Säulen. Haladris gab ihm noch einen kleinen Anstoß nach oben, bis über die Zapfen, die aus der Mitte jedes Steins herausragten, und lenkte ihn dann so, dass sich die Höhlungen an der Unterseite des Decksteins genau über diesen Zapfen befanden. Indem er die Hände ein wenig senkte, dämpfte er die Lautstärke des Gesangs geringfügig und ließ den Stein schließlich an die vorgesehene Stelle sinken.
    Micail straffte sich und atmete mit einem langen Seufzer aus. Sie hatten es geschafft! Er nickte den Sängern zu, deren Gesichter vor stillem Stolz strahlten. Doch sie standen mit schlaffen Schultern da, und er wusste, dass sie ebenso erschöpft waren wie er selbst. Wieder hörte er das Raunen der Menge draußen, jetzt durchsetzt mit Ausrufen des Staunens. König Khattar grinste wie nach einer siegreich geschlagenen Schlacht.
    Die Trommeln dröhnten bereits. Micail zuckte bei jedem Schlag zusammen, als ob er Prügel bekäme, aber er wusste, dass das Schlagen nicht aufhören würde. Genauso gut könnte man von Wildgänsen verlangen, nicht zu fliegen, dachte er.

    König Khattar, der ganz aus dem Häuschen war wegen des gelungenen Aufrichtens der Steine, war fest entschlossen, das Ereignis zu feiern, so als ob er mit eigener Kraft diesen Erfolg errungen hätte. Den anderen Priestern und Priesterinnen war gestattet worden, sich in ihre Unterkünfte zurückzuziehen, doch der König hatte

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