Die Ahnen von Avalon
energisch, »und wenn man den anderen Priesterschülern einen klaren Auftrag gibt, sind sie auch zu gebrauchen.«
Jetzt lächelte Chedan zum ersten Mal. »Dann wollen wir sie suchen. Zeig uns den Weg, wenn du dich in diesem Chaos noch zurechtfindest.«
Aldel trafen sie vor dem Haus der Heiler an, wo er fassungslos auf die Trümmer starrte. Er hatte niemanden mehr gefunden, dem er seine Botschaft hätte übermitteln können. Kalaran war bei ihm und hielt einen leeren Seesack in den Händen.
Stumm kehrten Tiriki und Damisa zum Haus der Fallenden Blätter zurück. Elis und Selast waren beim Packen. Beide hatten Asche im schwarzen Haar.
»Seid ihr die Einzigen, die noch hier sind?«, fragte Tiriki.
Elis nickte. »Hoffentlich haben die anderen wohlbehalten die Schiffe erreicht.«
»Aldel wartet draußen, und Kalaran ist bei ihm, so bleibt ihr wenigstens mit euren Verlobten zusammen«, tröstete sie Tiriki. »Und Kalhan ist ein kräftiger Bursche«, wandte sie sich an Damisa. »Er wartet sicher schon auf dich, wenn wir den Hafen erreichen.« So wie Micail auf mich, fügte sie innerlich hinzu.
»Kalhan? Ach ja, natürlich…«, sagte Damisa ohne große Begeisterung.
Tiriki sah sie nachdenklich an. Sie hatte nicht zum ersten Mal den Eindruck, dass Damisas Gefühle für den Jungen, den ihr die Sterndeuter des Tempels zum Gemahl bestimmt hatten, eher lauwarm waren. Wieder einmal wurde sie daran erinnert, welch ein Geschenk es war, dass sie und Micail selbst hatten wählen dürfen.
»Ob das genügt?«, fragte Chedan, als Tiriki die Schüler nach draußen führte.
»Es wird genügen müssen«, antwortete sie. Ein stärkerer Erdstoß erschütterte die Stadt. »Wir sollten gehen. Sofort! «
Schon nach wenigen Schritten brachten zwei weitere Stöße sie ins Taumeln. Hinter ihnen gab es einen lauten Schlag, und die Veranda vor dem Haus der Fallenden Blätter stürzte ein.
»Da ist aber ein schweres Blatt heruntergefallen!«, meinte Kalaran und lächelte schüchtern.
»Das war kein Blatt, das war der ganze Baum «, versetzte Damisa hart, aber sie hatte Tränen in den Augen, und sie schaute nicht zurück.
Elis weinte leise. Selast, die jedes Zeichen weiblicher Schwäche verabscheute, musterte sie verächtlich. Aber alle blieben in Bewegung und suchten sich einen Weg durch die Trümmer.
Wenn sie Leichen auf der Straße liegen sahen, machten sie nur das Segenszeichen. Zum Glück trafen sie auf niemanden, der Hilfe brauchte. Das hätte ihre Disziplin auf eine harte Probe gestellt.
Wenn wir ein verletztes Kind fänden, so wüsste ich selbst nicht, ob ich stark genug wäre, bei meiner Aufgabe zu bleiben, dachte Tiriki und lief weiter.
Was wir zu bewahren suchen, wird vielen noch ungeborenen Generationen das Leben retten, ermahnte sie sich, aber angesichts der Katastrophe, die sie jetzt erlebten, verloren die alten Parolen ihre Bedeutung.
Der Ascheregen setzte wieder ein. Tiriki fuhr zusammen und zog sich den Mantel über den Kopf - das Kissen hatte sie längst weggeworfen -, dann holte sie einmal, zweimal tief Luft und wandte die bewährten Verfahren an, um sich zur Ruhe zu zwingen. Ich denke an nichts… ich habe keine Angst… ich werde im rechten Moment das Richtige tun .
Sie war erleichtert, als endlich der Eingang zum Tempel in Sicht kam. Erst jetzt gestattete sie sich, den Blick zu heben und nach dem Berg zu sehen. Nicht nur die Pyramide an der Spitze war verschwunden; auch der letzte Priester, der den Gipfel hütete, war inzwischen zweifellos verschlungen worden. Aus dem Krater quoll eine formlos brodelnde Rauchwolke, doch nun war auch die Flanke des Vulkans aufgerissen, und die Lava schrieb in feurigen Lettern eine neue Todesbotschaft auf die Hänge.
Tiriki schöpfte kurz wieder Hoffnung. Vielleicht war es ja wie bei einem Abszess, und das Abfließen der Lava hatte den Druck im Innern etwas gemindert. Aber das Zittern unter ihren Füßen verriet, dass die unterirdischen Spannungen nach wie vor übermächtig waren.
»Rasch…« Chedan deutete auf den Tempeleingang. Das Dach schien noch fest auf den Säulen zu ruhen, auch wenn Teile der Marmorfassade auf der Straße lagen.
Der Zustand im Innern war bedenklicher, aber sie hatten keine Zeit, darüber nachzudenken, wie tief die Risse in den Wänden wohl reichen mochten. Der eigens für den Transport des Omphalos gebaute Schrein stand in der Grotte gleich hinter dem Eingang. Die Lampe schwang immer noch an ihren Ketten hin und her.
Als die Fackeln brannten, fassten
Weitere Kostenlose Bücher