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Die Ahnen von Avalon

Die Ahnen von Avalon

Titel: Die Ahnen von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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würde.
    Noch befanden sie sich einige Meilen westlich der Handelsniederlassung am Naradek, von der ihnen Chedan erzählt hatte. Und sie hatten sich gewiss nicht vorgestellt, in einer weglosen Wildnis zu landen. Aber die Flut trug sie unerbittlich auf die Küste zu, und das Schiff war zu mitgenommen, um sich noch einmal aufs Meer hinauswagen zu können. So warf Reidel mit einem tiefen Seufzer das Ruder herum und steuerte in die Mündung hinein.
    »Da ist nun endlich das neue Land…« Tiriki drehte sich überrascht um. Sie hatte Chedans Stimme erkannt, aber er wandte sich an alle Versammelten und sprach lauter als sonst. »Von nun an werden wir keine Zeit mehr haben, dem Vergangenen nachzutrauern«, fuhr er fort. »Wir müssen alle Kräfte aufbieten, um zu überleben. So lasst uns denn Abschied nehmen. Ahtarrath die Schöne und Alkonath die Mächtige, lebt wohl. Denn ach, das Goldene Reich, es ist nicht mehr.«
    Ein letztes Mal flammte die Trauer um die Zehn Staaten von Atlantis, das mit seinen mächtigen Schiffen die ganze Welt befahren hatte, mit Heftigkeit auf, um dann zu verstummen. Für einen Augenblick wurde die Erinnerung an das Verlorene überdeutlich. Noch einmal sahen sie den Sternenberg mit Donnergetöse in Flammen aufgehen und die letzte Bastion des unbesiegbaren Atlantidenreiches in den Fluten versinken.

6. Kapitel
    Schönster, der du aufscheinst am östlichen Horizont,
Sende dem Tag dein Licht.
O Stern des Ostens, Tagstern, erwache, geh auf!
Erwache, du Herr und Spender des Lebens…
Geh auf, du Freudenbringer, du Spender des Lichtes…
Schönster, der du aufscheinst am östlichen Horizont,
Tagstern, erwache, geh auf!
    Die langsam an-und abschwellenden Verse holten Micail ins Bewusstsein zurück. Mit dieser Hymne hatten seine Tage begonnen, so lange er denken konnte. Die Stimmen waren von jugendlicher Reinheit; waren es die Priesterschüler, die da sangen? Er entsann sich nicht mehr genau, wieso sie bei ihm waren, aber ihre Anwesenheit und die lebensbejahenden Rhythmen ihres Gesangs schützten ihn vor den Albträumen; er fing bereits an, sie zu vergessen.
    Er wollte die Augen öffnen, aber auf seinem Gesicht lag ein kühles, graues Tuch.
    Bin ich etwa krank? Er spürte einen dumpfen Druck in der Brust und hinter den Augen, seine Arme waren kraftlos und heiß, er konnte nicht einmal die Hand heben, um sich das feuchte Tuch abzunehmen.
    »Tiriki.« Zum Flüstern reichte seine Kraft. Er versuchte es noch einmal: »Tiriki?«
    »Nicht sprechen.« Eine Hand zog ihm geschickt das Tuch von der Stirn und hob dann seinen Kopf an. »Hier, trinkt. Aber sachte…« Der harte Rand einer Tasse berührte seine Lippen.
    Er schluckte mechanisch. Eine dünne, herbe Grütze, mit etwas Honig gesüßt, glitt durch seine Kehle. Der Druck in seiner Brust löste sich, doch die Kopfschmerzen blieben.
    »So ist es gut«, ließ sich die Stimme wieder vernehmen, und die kräftigen Hände legten seinen Kopf behutsam auf das Kissen zurück. »Das müsste Euch beruhigen…«
    Er wollte die Sprecherin ansehen, aber schon fielen ihm wieder die Augen zu. Die Stimme war irgendwie vertraut, ein Zungenschlag, wie er ihn aus seiner Kindheit kannte, aber für Tirikis Stimme zu tief.
    Warum ist sie nicht hier, wenn ich so krank bin? Er nahm alle Kräfte zusammen, um abermals nach ihr zu rufen, aber man hatte dem Trank wohl etwas beigemischt, das ihn wieder hinabzog in die dunklen, warmen Tiefen. Ein frischer, erdiger Duft nach regennassem Gras stieg ihm in die Nase, er schnupperte verwirrt, doch schon überfluteten Erinnerungen sein getrübtes Bewusstsein.

    » Das Gleichgewicht ist erschüttert!
Die Finsternis steigt auf! Dyaus ist frei!
Das ist der Untergang! Rette uns, Micail!
Rette uns! «

    »Micail, hört Ihr mich? Aufwachen, mein Junge. Ihr liegt schon viel zu lange auf der faulen Haut.«
    Trockene, sehnige Greisenhände schlossen sich um seine Finger, ein Energieschwall durchströmte ihn. Der Schock brachte ihn vollends zu Bewusstsein. Er riss die Augen auf. Ein Mann beugte sich über ihn, groß, mit ausdrucksvollem Gesicht, hoher Stirn und einem ungebärdigen grauen Haarschopf, der an das gesträubte Gefieder eines Vogels erinnerte.
    »Ardral!«, krächzte Micail verblüfft. »Ehrwürdiger Ardravanant«, verbesserte er sich dann. Gegenüber dem Siebenten Heiligen Hüter im Tempel des Lichtes auf Ahtarrath sollte man doch die Form wahren… An sich waren Ardral und Micail vom Rang her gleichgestellt, aber der alte Meister war schon

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