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Die Ahnen von Avalon

Die Ahnen von Avalon

Titel: Die Ahnen von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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weißt, warum, antwortete ihr eine innere Stimme. Du hast geschworen, dich in den Dienst des Lichtes und der Prophezeiung zu stellen.
    Plötzlich drehte sich der Wind und trieb ihr eine Rauchwolke ins Gesicht. Als sie zu husten aufhörte, weinte sie echte Tränen.
    »Diese verdammte Prophezeiung!« Wütend stieß sie das Hirschfell vor dem Eingang beiseite und trat ins Freie. Es roch nach frischem jungem Grün, und sie fühlte sich lebhaft an den Garten ihrer Mutter und an Galara erinnert, die eigentlich bei ihr sein sollte. Als sie sich die Tränen abwischte, sah sie, dass die Wolken sich verzogen hatten und die Sonne vom Himmel strahlte. Beglückt hob sie die Arme und stimmte den zeitlos jungen Morgengruß an:
    » Sende dem Tag dein Licht, o Stern des Ostens,
du Freudenbringer, Spender des Lichtes, erwache… «
    Sie ließ die Arme langsam wieder sinken und schwelgte mit halb geschlossenen Augen im milden Licht des Gestirns, das alle Länder beschien. Welcher Monat war eigentlich gerade? Seit der Tagundnachtgleiche war der Mond einmal voll gewesen, und die Dunklen Schwestern leuchteten schwächer. Selbst in diesem nebeligen Hügelland müsste schon seit einiger Zeit Sommer sein. Sie erinnerte sich an Chedans Theorie über die allmähliche Verschiebung der Jahreszeiten.
    ›Sonnenkinder‹ hat uns Taret genannt… Natürlich! Tiriki ließ die Hände vollends fallen. Atlantiden sitzen nicht gern im Dunkeln! Kein Wunder, dass uns alles so trostlos und düster erscheint. Ich muss weg von hier.
    Da sie wusste, dass die anderen sie beobachten konnten, verschwand sie rasch zwischen den Bäumen. Sie hatte keine klare Vorstellung, wohin sie wollte, doch ihre Füße fanden wie von selbst einen Pfad und folgten ihm. Wenig später war sie von der Siedlung aus nicht mehr zu sehen oder zu hören. Sie war allein.
    Unwillkürlich strebte sie aufwärts. Der Pfad verschwand; sie sah nicht einmal mehr eine Reh-oder Kaninchenfährte. Etwas zog sie fort von der Siedlung und den Sümpfen, der Wind rief sie mit leisem Raunen, die Sonne wie mit einem Fanfarenstoß. Seit sie hier angekommen war, wollte sie wissen, was sich auf dem Gipfel befand, und so stellte sie ohne große Überraschung fest, dass jeder Schritt sie weiter den Hang hinaufführte. Nur das Unterholz zwang sie immer wieder umzukehren und neue Wege zu suchen, sodass sie schließlich in Serpentinen den Heiligen Berg emporstieg.
    Bald wurde ihr warm; sie zog den Mantel aus und sah sich um. Sie hatte die Baumgrenze fast hinter sich gelassen; ringsum wuchsen nur noch vereinzelte Büsche und Farnstauden, und dazwischen hatte sich gewöhnliches Gras angesiedelt - das aber im Sonnenlicht in einem so satten Grün glänzte, wie sie es noch nie gesehen hatte.
    Wieder schossen ihr die Tränen in die Augen, doch diesmal waren es Tränen der Freude. Dummes Ding, schalt sie sich, hast du wirklich geglaubt, in diesem neuen Land gäbe es keine Schönheit?
    Eine letzte Anstrengung, dann stand sie auf dem Gipfel. Auch das sanft gewölbte, ovale Plateau war mit diesem herrlich grünen Gras bewachsen. Obwohl ihr die Sonne in die Augen schien, bemerkte sie es sofort: Es war wie ein Licht, aber von anderer Art…
    Ihre Augen stellten sich rasch um. Von hier oben, hoch über dem unberührten Waldgürtel um die Hänge des Heiligen Berges, waren selbst die Sümpfe und Moore von einer wilden, fremdartigen Schönheit. Zwischen den ausgedehnten frühlingsgrünen Schilfflächen flimmerte und funkelte hellblau das Wasser des Sees im Schein der Sonne.
    Welch eine Pracht, seufzte sie bewundernd, doch im gleichen Augenblick fuhr ihr das Heimweh wie ein Stich durchs Herz. Auf Ahtarrath hatten sie und Micail oft den Tag auf dem Gipfel des Sternenberges erwartet, und wenn die aufgehende Sonne das Meer und die bunt glasierten Ziegeldächer wie unzählige Diamanten erstrahlen ließ, hatten sie jede Einzelheit der Landschaft mit atemberaubender Klarheit erkennen können. Hier war die Aussicht selbst an wolkenlosen Tagen verhüllt vom Dunst und vom Schatten der wogenden Hügel, und dahinter erstreckte sich ein fremdes Meer.
    Auf Ahtarrath hatte sie immer gewusst, wer und wo sie war. Hier fehlte ihr diese Gewissheit. Hier erkannte sie in der leicht verschleierten Landschaft nur… Möglichkeiten.
    Sie drehte sich langsam um sich selbst und ließ den Blick über den langen Höhenrücken im Süden schweifen, über die höheren Berge im Norden und die Täler, die gut geschützt dazwischen lagen. Im Osten färbte der

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