Die Ahnen von Avalon
lieber, was du von mir begehrst!«
Tiriki spürte, wie sie errötete. »Euren Segen…«, sagte sie dann und legte die Hand auf ihren Leib. Gäbe es einen besseren Schutz als die Gunst der Macht, die über dieses Land herrschte? »Ich bitte Euch um Euren Segen für mein Kind.«
»Den sollst du haben.« Die Antwort kam so sanft wie Blütenduft. »Und solange ihr die Heiligtümer hier achtet, wird deine Linie auch niemals aussterben. Das verspreche ich dir.«
»Meint Ihr diesen Berg?«, fragte Tiriki.
»Der Heilige Berg ist nur die äußere Hülle, so wie dein Leib die schützende Hülle für dein Kind ist. Zu gegebener Zeit sollst du die Mysterien kennen lernen, die er in sich birgt - die Rote und die Weiße Quelle und die Kristallhöhle.«
Tiriki machte große Augen. »Wie soll das geschehen?«
Die Königin zog eine Augenbraue hoch. »Du hast Bekanntschaft mit der weisen Frau geschlossen. Sie wird dich alles lehren. Bisher dienst du der Sonne, doch nun sollst du auch die Geheimnisse des Mondes erfahren. Du… deine Töchter… und alle, die nach euch kommen…«
Sie lächelte, dann wurde der Lichtschein stärker, der sie umgab, und Tiriki sah nur noch Helligkeit.
8. Kapitel
Seit Micails Ankunft in Belsairath waren Tage, dann Wochen vergangen, aber Tiriki war nicht gekommen. Er hatte sich immer für den Stärkeren in ihrer Beziehung gehalten, doch allmählich wurde ihm klar, wie sehr er sich auf die innere Kraft dieser scheinbar so zarten Frau verlassen hatte. Tagsüber wohnte er Ritualen bei und nahm an Beratungen teil, in der Hoffnung, von ihr zu hören oder die Alkonier überreden zu können, nach ihr zu suchen, obwohl er keine Ahnung hatte, wohin es die anderen Flüchtlinge verschlagen haben mochte. Nachts in seinen Träumen lief er selbst durch Ahtarras versunkene Straßen und hielt Ausschau nach ihr, während in Geschäften, Wohnhäusern und Tempeln nach und nach die Lichter ausgingen.
Manchmal glaubte er ihr so nahe zu sein, dass er nur die Hand nach ihr auszustrecken brauchte. Doch wenn er erwachte, begriff er, dass sie in solchen Momenten nur deshalb nie zurückwich, weil sie gar nicht da gewesen war.
Die Tage fand er kaum weniger bedrückend. Belsairath lieferte den Beweis, dass die Atlantiden in dem neuen Land nicht nur überleben, sondern sogar ein blühendes Gemeinwesen schaffen konnten. Aber je mehr neue Häuser, je mehr prunkvolle Kopien antiker Bauten aus dem Boden gestampft wurden, desto tiefer versank Micail in seiner Schwermut.
Tjalan hätte den Freund nur zu gern in seiner Villa, ja, sogar in seinen Privatgemächern untergebracht, aber Micail wollte davon nichts hören. Belsairath war laut und nicht gerade sauber, und der Gasthof lag mittendrin, aber er musste unbedingt den Hafen im Blick haben.
»Stell dir vor, Tiriki kommt, und ich bin irgendwo und kann ihr Schiff nicht sehen.« Er schüttelte den Kopf. »Am Ende fährt sie weiter. Nicht alle Schiffe, die den Hafen anlaufen, bleiben auch hier. Nein, ich kann nicht weg.«
Von da an war Micail von der Teilnahme an den Ratsversammlungen in Tjalans Villa freigestellt. Natürlich war er froh, den endlosen hochgelehrten Debatten über die Einflüsse der Gestirne und den Verlauf der Energie ströme im Land zu entgehen. Und an Annehmlichkeiten fehlte es nicht. Es war keine Strafe, sich regelmäßig mit erlesenen Gerichten, gewürzt mit Loore, in köstlicher Raf-ni'iri-Sauce, verwöhnen zu lassen.
Dennoch wäre er lieber mehr für sich gewesen. Ständig war ein Soldat in seiner Nähe, der ihn beschützte, eine Blaue Priesterin oder ein Heiler wollten ihn untersuchen, oder Jiritaren und sogar Bennurajos kamen zu Besuch, um ihm schwere Liköre zu kredenzen und ihn mit einem endlosen Strom von Witzen und Anekdoten zu unterhalten.
Micail zwang sich, die Sonderbehandlung und die dauernden Störungen mit stoischem Gleichmut zu ertragen, denn er ahnte tief im Innern, dass er dem Wahnsinn gefährlich nahe war…
Am lästigsten waren vielleicht Tjalans Aufmunterungsversuche. Der Prinz verkündete immer wieder, er scheue vor nichts zurück, was Micail aus seiner Lethargie reißen könnte, und würde auch junge Frauen herbeischaffen, um ihn zu zerstreuen.
Hin und wieder kam sein Vetter Naranchada vorbei, aber Micail wusste nicht so recht, ob er diese Besuche als tröstlich oder als quälend empfinden sollte. Als Jungpriester waren er und Ancha dicke Freunde gewesen, doch dann hatte sich Ancha immer mehr in seine Fachgebiete - die Baukunst und die
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