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Die Ahnen von Avalon

Die Ahnen von Avalon

Titel: Die Ahnen von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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ich mir weniger den Kopf als über die Gegenwart. So dankbar ich bin, dass so viele von uns gerettet wurden, das Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Priestern könnte ausgewogener sein. Wir sind hier überwiegend Frauen, und von den Schülern sind außer Kalaran alle Mädchen. Findet Ihr das nicht auch sehr ungleich verteilt?«
    »Das stimmt tatsächlich«, sagte Tiriki. Es klang ein wenig überrascht. »Aber ich hatte es bisher noch nicht als Problem gesehen. Die Energie des Heiligen Berges ist so ausgewogen…«
    »Ein einziger Gipfel ragt auf«, leierte Alyssa mit halb abgewandtem Gesicht. »Ein Funke in der Erde behütet drei Quellen, sechs Höhlen und viele, viele Herzen. Er leuchtet und leuchtet und leuchtet und leuchtet. Wen stört da noch die Dunkelheit?«
    Der Wind fuhr durch die Weiden; die Zweige bewegten sich kurz und beruhigten sich wieder. Niemand sprach. Der Magier schaute unverwandt in seine Teeschale und betastete die winzigen Muschelbänder, die in den Rand geschnitzt waren.
    Liala hat wieder einmal Recht, dachte er. Tiriki hat sich mit dem Problem nur deshalb nicht auseinander gesetzt, weil sie dann an Micail denken müsste. Liala und ich können als Hoher Priester und Hohe Priesterin auftreten, aber wir werden nicht die Energien erzeugen können wie sie und Micail… Vielleicht setzt auch gar nicht sie die falschen Schwerpunkte, sondern ich?
    Ein scharfes Geräusch am Rand der Lichtung ließ ihn aufhorchen. Von Weidenzweigen umrahmt, hing ein Merlin, ein Zwergfalke, in der silbrigen Luft. In den adeligen Häusern hatte man lange Zeit mit Leidenschaft Falken gezüchtet, aber Chedan hatte die Tiere nie weiter beachtet. Jetzt dagegen spürte er es immer, wenn ein Falke oder eine Eule in der Nähe waren. Vielleicht eine Verheißung, eine Erinnerung an eine andere Welt?
    Liala sprach weiter. »Wenn wir wollen, dass unsere Priesterinnen sich Gefährten aus den eigenen Reihen nehmen und unsere Tradition fortsetzen, müssen wir uns möglicherweise unter den anderen Atlantiden neue Priesterkandidaten suchen. Da wäre zum Beispiel Reidel - ich denke, er hätte die Veranlagung…«
    »Er ist vor allem hinter Damisa her!« Alyssa stieß ein hässliches Lachen aus. Jetzt wirkte sie wieder völlig normal. »Habt Ihr gesehen, wie er sie mit seinen Blicken verfolgt?«
    »Und wie sie diesen Blicken ausweicht, wo sie nur kann?«, gab Tiriki schlagfertig zurück. »Zugegeben, wir werden etwas unternehmen müssen…«
    »Ich bin nur eine einfache Priesterin der Großen Mutter, keine Meisterin der Mysterien wie Ihr. Wir Blauen wollen den Körper verherrlichen, anstatt über ihn hinauszuwachsen«, erwiderte Liala und grinste. »Ich halte nicht viel von Seeleuten, aber mit der Zeit gewöhnt man sich ab, allzu wählerisch zu sein. Ich fange sogar schon an, den Sumpfmännern nachzuschauen.«
    Chedan sah sie an. Früher einmal hätte ihn ihre Bemerkung nicht so sehr überrascht, doch jetzt hatte sie ihn plötzlich daran erinnert, dass sich unter der blauen Robe ein Frauenkörper verbarg. War er so abgelenkt vom ewigen Kampf ums Überleben, oder wurde er einfach alt?
    »Ich kann Eure Bedenken verstehen«, fuhr Tiriki fort, »und ich stimme Euch auch zu, aber Verbindungen zwischen verschiedenen Kulturen oder Kasten bergen Gefahren in sich.«
    »Die Menschen hier können nicht so viel anders sein als wir«, sagte Liala. »Ist Taret nicht auch eine Priesterin der Großen Mutter?«
    »Sie haben offenbar nur wenige Zeremonien«, warf Chedan ein. »Das Land bietet ihnen genug zum Leben, und sie haben schon seit langem keinen Krieg mehr geführt. Wenn man von den Göttern zufrieden gestellt wird«, schloss er, »bleibt oft nicht mehr viel, worum man bitten müsste!«
    »Stellt nicht die falsche Frage!«, unterbrach ihn Alyssa. Ihre seltsamen Augen waren jetzt farblos und leer.
    Chedan sah sie an. Auf welche Seitenpfade mochten ihre Gedanken sich jetzt verirrt haben?
    Alyssa fuhr fort: »Ihr baut Kanäle für die Regentropfen, aber ihr trefft keine Vorsorge gegen das Meer. Setzt euch auseinander mit den Mächten, die hier herrschen. Lernt die Namen. Und was ist mit jener anderen Macht, der ihr zu dienen, die ihr zu schützen vorgebt? Was ist mit dem Omphalos? «
    Alle verstummten erschrocken. In diesem Augenblick stieß der Falke in rasendem Sturzflug auf eine unsichtbare Beute nieder, und ein Schrei zerriss die Stille.
    Chedan schlug schuldbewusst die Augen nieder. Wie hatte er nur glauben können, die Graue Priesterin

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