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Die Ahnen von Avalon

Die Ahnen von Avalon

Titel: Die Ahnen von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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kleine Veränderung in ihrem Zustand wurde ausgiebig besprochen. Iriel zwitscherte so aufgeregt wie ein Vögelchen, Elis kochte und putzte für Tiriki, so oft es nur ging, und Damisa folgte ihr wie ein Schatten, wenn sie nicht gerade gekränkt war. Tiriki machte zu alledem gute Miene und ließ sich umsorgen - eigentlich war sie vollkommen glücklich. Nur manchmal schreckte sie weinend aus dem Schlaf, weil sie Micail schmerzlich vermisste, der ihre Freude hätte teilen sollen, und weil sie ihr Kind allein gebären und großziehen musste.

    Am Ufer des Flusses gab es eine Stelle, wo mehrere Weiden eine natürliche Laube bildeten. Hier pflegten die ranghöheren Priester ihre Besprechungen abzuhalten. Die Sonne schien warm durch die Blätter und zeichnete goldene Flecken auf den Boden. Chedan bemerkte, dass das Licht stark genug war, um Alyssas ergrauendes Haar zum Leuchten zu bringen.
    »Einer verloren… einer gefunden… viele beschreiten die heiligen Runden… steigen vom Berg ins Tal hernieder… und eins wird aus zweien wieder…«
    Die Seherin verstummte und starrte lächelnd ins Leere. Chedan beobachtete sie und überlegte, ob ihr Gefasel wohl diesmal irgendetwas zu bedeuten hätte.
    Ohne seine Ungeduld zu zeigen, bedeutete er Liala, die Schale der Seherin mit Tee zu füllen. Orakel, dachte der Magier, waren schon schwierig genug zu deuten, wenn sie in einer entsprechend präparierten Umgebung als Antwort auf gezielte Fragen verkündet wurden. Der Omphalos, der seit ihrer Ankunft in seinen Seidenhüllen in einem steinernen Schuppen unweit von Lialas und Alyssas Hütte stand, verhielt sich seit Monaten ruhig, und dennoch fiel Alyssa immer wieder übergangslos in eine prophetische Trance. Die Seherin war wie entwurzelt, nicht nur aus Ahtarraths Boden gerissen, sondern auch der alltäglichen Wirklichkeit entfremdet.
    Liala füllte vier Buchenholzschalen mit geschnitztem Rand mit Tee aus einer irdenen Kanne. Es roch nach Minze und Zitronengras.
    »Wie ich vorhin sagte…« Tiriki hielt inne und nahm ihre Schale entgegen. »Wir dürfen nicht vergessen, dass unser Leben nicht uns allein gehört. Früher konnten wir uns an den Vorschriften des Tempels orientieren. Nun müssen wir uns mit unseren eigenen Füßen den Weg bahnen, und dass wir dabei hin und wieder straucheln, ist unvermeidlich.« Wieder stockte sie, und Chedan wusste, dass sie an Malaera dachte. Die alte Blaue Priesterin hatte am Abend zuvor versucht, sich zu erhängen.
    »Ich glaube nicht, dass Malaera keinen Ausweg mehr sieht«, fuhr Tiriki fort, »aber wir werden sie in nächster Zeit im Auge behalten müssen. Sie ist verwirrt und unglücklich, und wer unter uns hat sich in den vergangenen Monden nicht schon ähnlich gefühlt? Obendrein hat sie kranke Gelenke und kann kaum eine Bewegung machen, ohne von heftigen Schmerzen gepeinigt zu werden.«
    »Ich sage es nicht gern«, murrte Liala, »aber sie ist es, die uns alle peinigt. Jeder von uns hat Freunde und Verwandte verloren! Muss sie unentwegt darüber nachgrübeln?«
    »Es sieht ganz danach aus«, sagte Chedan ruhig. »Vielleicht ist sie ein Werkzeug der Götter und soll uns daran erinnern, dass nicht jeder so leicht darüber hinwegkommt, Menschen und Hoffnungen verloren zu haben, die ihm teuer waren. Soweit ich vernommen habe, hat Malaera mit ihren Gefühlen auch früher schon nicht hinter dem Berg gehalten. Wie können wir dann erwarten, dass sie es jetzt tut?«
    »Ich denke, sie wird ihre Verzweiflung überwinden«, wiederholte Tiriki. »Sie spürt vielleicht stärker als die meisten, dass wir nicht einfach hier sind, um zu überleben. Wir haben doch eine Aufgabe zu erfüllen…« Sie sah verlegen zu Alyssa hinüber, aber die Seherin schien ganz in den Duft vertieft, der aus ihrer Teeschale aufstieg.
    »Wenn wir den neuen Tempel gründen wollen, muss es bald geschehen«, fuhr Tiriki fort, »denn in einer, höchstens zwei Generationen haben sich unsere Kinder mit der einheimischen Bevölkerung vermischt, und wir haben unser Ziel verfehlt. Ich bin nicht über Nacht zum Orakel geworden, aber ich habe genügend über Geschichte gelesen, um zu wissen, dass so etwas nicht zum ersten Mal geschähe.«
    Chedan nickte. »Nach einem Schiffbruch erinnert sich die erste Generation von Überlebenden noch daran, dass ihre Vorfahren über das Meer kamen; hundert Jahre später halten die Enkel oft schon das Meer für ihren Vorfahren und bringen ihm Opfer dar.«
    »Ha«, schnaubte Liala. »Über die Zukunft zerbreche

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