Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ahnen von Avalon

Die Ahnen von Avalon

Titel: Die Ahnen von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
Vom Netzwerk:
überlegte, ob sie sich setzen sollte. Aber etwas drängte sie, in Bewegung zu bleiben. Es ist sicherlich nicht so schlimm, sagte sie sich. Wenn mir erst etwas wärmer wird, werden die Schmerzen schon vergehen.
    Mit einem tiefen Atemzug ging sie weiter. Von unten schallte fröhliches Gelächter herauf, und auch von oben war noch die eine oder andere Stimme zu hören, doch auf dem Pfad war sie ganz allein. Bald wurden die Sträucher zu beiden Seiten dichter. Nicht mehr lange, und sie wäre unter den Bäumen.
    Wird auch Zeit, es fangt gleich an zu regnen, dachte sie, als sie ein feuchter Hauch ihre Wange streifte.
    Wieder hatten sich dichte Wolken vor die Sterne geschoben. Ein leichter Nieselregen legte sich wie ein dünner Kristallschleier auf das grobe Gewebe ihres Umschlagtuchs. Sie versuchte, die Schritte zu beschleunigen, aber in ihrem Rücken tobte ein dumpfer Schmerz, der kein Ende nehmen wollte.
    Aus dem feinen Nebelnässen wurde ein gleichmäßiges Prasseln. Der Regen war da. Dicke Tropfen fielen durch die Blätter, trafen zischend ihre Fackel, drangen durch ihre Kleidung und machten den Weg gefährlich schlüpfrig. Sie musste noch langsamer gehen, um nicht auszurutschen.
    Hätte ich doch Damisa nicht weggeschickt, dachte sie. Jetzt wäre mir ihre Hilfe sehr willkommen.
    Sie seufzte tief auf, dann zwang sie sich, bewusst langsam zu atmen. Für eine Weile gelang es ihr, den Schmerz zu bekämpfen. Dann trat sie auf einen losen Stein, ihr Fuß rutschte ab, und sie versuchte noch, sich mit wild rudernden Armen vor einem Sturz zu bewahren. Vergeblich. Fackel und Stab entfielen ihren Händen. Sie landete auf dem Boden, eiskaltes Wasser spritzte ihr über Gesicht und Arme, und zugleich wurde es zwischen ihren Schenkeln warm und feucht. Ihre Bauchmuskeln verkrampften sich so stark, dass ihr der Atem aus den Lungen gepresst wurde.
    Plötzlich ging ihr ein Licht auf. Das Kind!, dachte sie in heller Panik. Das Kind kommt jetzt… Sie hätte sich mehr schonen müssen, so kurz vor der Niederkunft. War sie denn verrückt gewesen, bei dieser bitteren Kälte auf einen Berg zu steigen, um ein Ritual zu feiern?
    Sie tastete nach der Fackel, die noch schwach glimmte; doch bevor sie die Finger um den Schaft schließen konnte, zischte die Flamme und erlosch. Tiriki stieß einen Fluch aus. Die Fackel hatte nicht sehr hell geleuchtet, doch nun erschien ihr die Finsternis undurchdringlich.
    »Liala!«, hauchte sie. Es gab hier kein Caratra-Haus, aber die Blaue Priesterin hatte versprochen, Geburtshilfe zu leisten. »Wer immer mich hört! Helft mir! «
    Wieder ein tiefer Atemzug. Zähneklappernd rang sie um ihre Fassung. Sie hatte noch etwas Zeit - wenn sie den vielen Geschichten glauben konnte; die Wehen kamen noch unregelmäßig und mit etwas Glück würde es noch Stunden dauern. Keine tröstliche Vorstellung. Fröstelnd stützte sie sich auf Hände und Knie. Ob sie wohl stehen könnte und ob es sinnvoll wäre, wenn sie zu gehen versuchte? Kriechen ist besser; so kann ich wenigstens mit den Händen den Pfad ertasten… Aber es war eine qualvolle Fortbewegungsart, und schon bald hätte sie sich am liebsten vor Schmerzen wimmernd zusammengerollt.
    Doch sie gab nicht auf. »G-geliebtes Kind! Ich w-will d-dich lebend sehen!« Sobald sie diesen Vorsatz gefasst hatte, wurde ihr deutlich wärmer. Ich werde es schaffen. Und wenn alles fehlschlägt, werden mich Chedan und Liala finden, wenn sie heruntersteigen…
    Dank der strengen Disziplin im Tempel war sie überzeugt gewesen, allem gewachsen zu sein, was ihr widerfahren mochte. Mit einem Mal wurde ihr klar, wie sehr sie sich in Ahtarrath auf die stets gegenwärtigen Scharen von Dienstboten verlassen hatte. In der Welt des Geistes konnte sie jeder Gefahr begegnen, doch jetzt war ihr Körper gefordert, und sie fühlte sich unerwartet schwach, einsam und hilflos.
    Aber es kam noch schlimmer. Irgendwann stieß sie da, wo sie den Pfad vermutet hatte, gegen einen nassen Baum. Nun wusste sie, dass sie sich verirrt hatte. Sie zog sich am Stamm in die Höhe. »Zu Hiiilfe!«, rief sie, aber der Wind entriss ihr die Worte. Wieder glaubte sie, von weiter oben Stimmen zu hören. Ob man schon nach ihr suchte? Inzwischen müsste doch jemand bemerkt haben, dass sie fehlte. Sie rief noch einmal, aber gegen den Wind und den prasselnden Regen kam sie nicht an.
    Das Kind war ein Wunder, dachte sie benommen. Die Mächte, die mir dieses Geschenk gemacht haben, werden doch nicht zulassen, dass es zerstört

Weitere Kostenlose Bücher