Die Ajima-Verschwörung
Augenpaare hefteten sich auf die Tiefenanzeige, die auf dem Display ausgegeben wurde. Keiner der Männer sprach ein Wort, während die Minuten dahinkrochen. Die Welt des Zwielichts blieb zurück, und das Indigoblau des tiefen Wassers verblaßte wahrnehmbar beim ersten Licht, das von der Meeresoberfläche nach unten gefiltert wurde. An manchen Stellen schimmerte das Wasser grün, dann gelb. Ein kleiner Thunfischschwarm schwamm an ihnen vorüber. In einhundertfünfzig Metern Tiefe konnte Pitt allmählich die Ziffern auf seiner Armbanduhr erkennen.
»Ihr werdet langsamer«, warnte Giordino sie. »Eure Steiggeschwindigkeit ist auf sieben Meter pro Minute gesunken.«
Pitt gab die Zahlen für die Leckkontrolle ein. Was er dort zu lesen bekam, gefiel ihm überhaupt nicht.
»Der Wasserstand hat den roten Bereich erreicht.«
»Können Sie Ihr Luftvolumen vergrößern?« fragte Sandecker.
Die Sorge in seiner Stimme war unverkennbar.
»Nicht ohne an der Caissonkrankheit zu sterben.«
»Ihr werdet’s schon schaffen«, versicherte Giordino zuversichtlich. »Die achtzig-Meter-Marke habt ihr schon hinter euch.«
»Wenn unser Auftrieb auf unter vier Meter fällt, dann versuch mit der Greifvorrichtung zuzufassen und uns zu schleppen.«
»Gemacht.«
Giordino fuhr nach vorne und brachte sein Boot in Schräglage, so daß das Heck zur Wasseroberfläche wies und er direkt hinunter auf Pitt und Plunkett blickte. Dann stellte er den Autopilot auf dieselbe Rückwärtsgeschwindigkeit ein, mit der die Kabine von
Big John
aufstieg. Doch bevor er den Robotarm ausfahren konnte, sah er, wie das Fahrzeug zurückblieb und der Abstand sich vergrößerte.
Er reagierte umgehend und verringerte den Abstand wieder.
»Zwei Meter pro Minute«, stellte Pitt mit eiskalter Ruhe fest.
»Besser, du koppelst uns jetzt an.«
»Schon dabei«, antwortete Giordino.
Bis es dem künstlichen Greifsystem des Tauchboots gelungen war, ein vorspringendes Wrackstück sicher zu packen zu kriegen, war die Kabine völlig zum Stillstand gekommen.
»Unser Auftrieb ist jetzt neutral«, meldete Pitt.
Giordino warf den restlichen Eisenballast des Tauchboots ab und programmierte das Schiff auf volle Fahrt zurück. Die Propeller fraßen sich durchs Wasser, und das Tauchboot mit der Kabine
Big John
im Schlepptau quälte sich wieder langsam auf die lockende Wasseroberfläche zu.
Achtzig Meter, siebzig, der Kampf, das Tageslicht zu erreichen, schien endlos zu dauern. Dann, bei siebenundzwanzig Metern oder rund neunzig Fuß Tiefe, gab es endgültig kein Fortkommen mehr. Das steigende Wasser im Maschinenraum drang mit der Gewalt einer Feuerwehrspritze durch neue Lecks in den erst kürzlich gekappten Rohren ein.
»Ich kann euch nicht mehr halten«, schrie Giordino entsetzt.
»Aussteigen, raus!« schrie Sandecker.
Das brauchte Pitt und Plunkett niemand zu befehlen. Die Kabine fing bereits an zu sinken und zog das Tauchboot mit sich. Ihre einzige Rettung war der Luftdruck im Innern der Kabine, der nahezu dem Wasserdruck auf der Außenseite entsprach. Doch das Schicksal war launisch. Die steigende Flut hätte keine n ungünstigeren Zeitpunkt erwischen können, um das Notstromaggregat kurzzuschließen und damit den Hydraulikantrieb der Ausstiegsluke lahmzulegen.
Fieberhaft löste Plunkett den Verschluß der Luke und bemühte sich, sie nach außen zu stoßen, doch durch den etwas höheren Wasserdruck gab er nicht nach. Dann war Pitt neben ihm, und sie verdoppelten ihre Anstrengung.
Im Tauchboot verfolgten Giordino und Sandecker den Kampf mit wachsender Angst. Der Negativauftrieb stieg schnell an, und die Kabine sank mit alarmierender Geschwindigkeit nach unten.
Langsam, so als klebe sie fest, gab die Luke nach. Wasser schoß durch die Ritze und füllte die Kabine.
Pitt schrie: »Tief durchatmen, und vergessen Sie auf dem Weg nach oben nicht, Luft abzulassen.«
Plunkett nickte kurz, atmete ein paarmal tief durch, um das Kohlendioxid aus seinen Lungen zu verbannen, und hielt den letzten Atemzug an. Dann tauchte er mit dem Kopf in das durch die Luke herabstürzende Wasser und war verschwunden. Pitt folgte, nachdem auch er tief durchgeatmet hatte, um die Luft länger halten zu können. Er stemmte seine Füße gegen die Lukenbefestigung und stieß sich in dem Augenblick ab, in dem Giordino den Griff der Robothand löste und die Überreste
Big Johns
im Dämmerlicht versanken.
Pitt wußte es nicht, doch er stieg exakt in zweiundvierzig Metern oder 138 Fuß Tiefe aus. Die
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