Die Ajima-Verschwörung
für eine Aufregung du verursacht hast?«
Er lachte. »Das wird uns einiges kosten.«
Überglücklich, unter den Lebenden zu weilen, verdunkelten sich Pitts Züge auf einmal, und Wut zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. Als er antwortete, klang seine Stimme gepreßt und unnatürlich.
»Dich nicht, und mich auch nicht. Aber wer auch immer dafür verantwortlich sein mag, muß die Rechnung zahlen.«
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DAS KAITEN-PROJEKT
17
6. Oktober 1993 Tokio, Japan
Seit dem Zweiten Weltkrieg war Yasukuni, das Ehrenmal all jener, die seit dem Revolutionskrieg von 1868 für die Sache des Kaisers ihr Leben gegeben hatten, zu einem Symbol geworden, um das sich die Konservativen und Militaristen vom rechten Flügel scharten, die immer noch ihrem Traum von einem Reich nachhingen, das von der Überlegenheit der japanischen Rasse getragen würde. Der alljährliche Besuch des Ministerpräsidenten Ueda Junshiro und seiner Parteiführer am Jahrestag der Niederlage Japans von 1945 wurde jedesmal lang und breit von der nationalen Presse kommentiert und von den Fernsehstationen übertragen. Normalerweise folgte leidenschaftlicher Protest aus den Reihen der Opposition, der Linken, der Pazifisten und nicht shintoistischen religiösen Gruppen sowie der Nachbarländer, die im Krieg unter der Besatzung Japans gelitten hatten.
Um offener Kritik und der Aufmerksamkeit kontroverser Diskussionen zu entgehen, waren die Ultranationalisten, die hinter dem wiedererwachten Wunsch nach der Herrschaft und der Verherrlichung der japanischen Rasse standen, gezwungen, nachts und in aller Heimlichkeit ihre Gebete am Schrein von Yasukuni zu verrichten. Wie Phantome kamen und gingen sie, die unermeßlich reichen hohen Regierungswürdenträger und die finsteren heimlichen Drahtzieher, deren Verbindungen bis in die feinsten Verästelungen der Machtstruktur reichten, dorthin, wo selbst die Regierung keinerlei Einfluß mehr hatte.
Der geheimnisvollste und mächtigste unter diesen Männern war Hideki Suma. Leichter Nieselregen fiel, als Suma das Tor passierte und über den Kiespfad auf den Shokonsha-Schrein zuschritt. Es war lange nach Mitternacht, doch die Lichter Tokios, die von den tiefen Wolken reflektiert wurden, wiesen ihm den Weg. Unter einem großen Baum blieb er stehen und blickte sich auf dem Grundstück im Innern der hohen Mauern um. Das einzige Lebenszeichen stammte von einer Gruppe Tauben, die unter den Schindeln des geschwungenen Dachs nisteten.
Nachdem er sich vergewissert hatte, daß er von niemandem beobachtet wurde, unterzog sich Hideki Suma dem Ritual des Händewaschens in einem Steinbassin und benetzte seinen Mund mit einer kleinen Kelle Wasser. Dann betrat er die Halle des äußeren Schreins und traf auf den Hohen Priester, der ihn bereits erwartete. Suma hinterlegte eine Spende in der Kapelle und zog einen Stapel Schriftstücke, die in einer Tuchrolle verpackt waren, aus der Innentasche seines Mantels. Er reichte sie dem Priester, der sie auf den Altar legte.
Eine kleine Glocke wurde geläutet, um Sumas persönlichen Gott oder
Kami
herbeizurufen, und dann legten beide die Hände zum Gebet zusammen. Nach einer kurzen Andacht unterhielt sich Suma ungefähr eine Minute lang ruhig mit dem Priester, nahm die Ro lle wieder an sich und verließ den Schrein ebenso unauffällig, wie er gekommen war.
Wie das glitzernde Naß eines Wasserfalls im Garten fiel der Streß der vergangenen drei Tage von ihm ab. Suma fühlte sich durch die mystische Macht und die Fürsorge seines
Kami
verjüngt. Seine heilige Aufgabe, die japanische Kultur vom Gift des westlichen Einflusses zu reinigen und die Macht seines Finanzimperiums zu verteidigen, standen unter göttlichem Schutz.
Suma wäre niemandem, der ihn im Nebel und Nieselregen gesehen hätte, aufgefallen. In seinem Overall und dem billigen Regenmantel eines Arbeiters wirkte er vollkommen gewöhnlich.
Er trug keinen Hut, und seine Haare, dicht und weiß, waren schlicht nach hinten gekämmt. Die schwarze Mähne, die für beinahe alle Japaner und Japanerinnen typisch ist, war frühzeitig ergraut, was Suma wesentlich älter als neunundvierzig Jahre wirken ließ. Nach westlichen Maßstäben klein gewachsen, war er für einen Japaner mit seinen ein Meter siebzig größer als der Durchschnitt.
Nur ein Blick in seine Augen verriet, daß er sich von seinen Landsleuten unterschied. Die Iris war von einem durchdringenden Indigoblau, das Erbe eines frühen holländischen Händlers oder englischen Seemanns.
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