Die Ajima-Verschwörung
Fahrer nicht entdecken und vermutete, daß seine Leiche auf der anderen Seite aus dem Wagen geschleudert worden sein mußte.
Die Fahrgastzelle war zusammengedrückt, das Dach in seltsamem Winkel nach oben geknickt, die Türen nach innen gebogen und so verkantet, daß man sie nur mit einer Metallsäge aufbekommen würde. Verzweifelt trat Pitt mit dem Fuß ein paar Glasscherben weg, die noch vom kaputten Türfenster übriggeblieben waren, und schob seinen Kopf ins Innere.
Der zerstörte Innenraum war leer.
Wie betäubt ging Pitt langsam um den Wagen herum und suchte darunter nach Spuren von Leichen. Er fand nichts, nicht einmal eine Blutspur oder zerrissene Kleidungsfetzen. Dann sah er sich das eingedrückte Armaturenbrett an und erkannte, weshalb dieses Geisterfahrzeug leer war. Er löste ein kleines Instrument von der Elektroverbindung und betrachtete es genau.
Vor Wut lief sein Gesicht puterrot an.
Er stand noch neben dem Wrack, als der Hubschrauber landete und Giordino herbeigerannt kam, gefolgt von Mancuso, der sich ein blutbeschmiertes Taschentuch gegen sein Ohr preßte.
»Loren?« erkundigte sich Giordino besorgt.
Pitt schüttelte den Kopf und warf Giordino das seltsame Gerät zu. »Man hat uns an der Nase herumgeführt. Dieser Wagen war ein Köder, der von einer elektronischen Roboteinheit gefahren und von jemandem, der im Helikopter saß, gelenkt wurde.«
Mancuso suchte mit wilden Blicken die Limousine ab. »Ich hab’ doch gesehen, wie sie eingestiegen ist«, sagte er verstört.
»Ich auch«, unterstützte Giordino ihn.
»Nicht in diesen Wagen«, sagte Pitt ruhig.
»Aber wir haben ihn doch nie aus den Augen verloren.«
»Doch. Denken Sie mal nach. Die zwanzig Sekunden Vorsprung, als er die Rennstrecke verließ und unter der Tribüne hindurch zum Parkplatz fuhr. Da muß der Austausch stattgefunden haben.«
Mancuso zog das Taschentuch fort. Über seinem Ohrläppchen sah man einen sauberen Schnitt. »Das paßt. Den hier jedenfalls haben wir, nachdem wir auf dem Highway waren, keine Sekunde aus den Augen verloren.«
Dann schwieg Mancuso und blickte bekümmert auf die kaputte Limousine. Eine Zeitlang rührte sich keiner der drei von der Stelle, und keiner sagte etwas.
»Wir haben sie verloren«, sagte Giordino mit wie vor Schmerz verzerrtem, bleichem Gesicht. »Möge Gott uns beistehen. Wir haben sie verloren.«
Mit leerem Blick starrte Pitt den Wagen an, die großen Hände vor Wut und Verzweiflung zu Fäusten geballt. »Wir werden Loren wiederfinden«, sagte er. Seine Stimme klang hohl und kalt wie das Eis der Arktis. »Und die, die sie entführt haben, werden dafür bezahlen.«
DRITTER TEIL
AJIMA ISLAND
30
12. Oktober 1993 Bielefeld, Westdeutschland
Der Herbstmorgen war frisch, und von Norden blies ein schneidender Wind. August Clausen trat aus seinem schindelgedeckten Haus in der Nähe von Bielefeld in Nordrhein-Westfalen und blickte über seine Felder zu den Hängen des Teutoburger Waldes hinüber. Sein Bauernhof lag im Tal und wurde von einem flachen, breiten Flußlauf begrenzt, dessen Wasser er vor kurzem gestaut hatte. Er knöpfte sich seinen dicken Wollmantel zu, atmete ein paarmal tief durch und ging dann einen schmalen Pfad entlang zu seiner Scheune.
Clausen, ein großer, grobknochiger Mann, der gerade die Siebzig überschritten hatte, schuftete noch immer von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Der Hof war seit fünf Generationen im Besitz seiner Familie. Seine Frau und er hatten fünf Töchter großgezogen, die inzwischen geheiratet hatten und ausgezogen waren. Sie wohnten lieber in Bielefeld als auf dem Hof. Abgesehen von einigen Erntearbeitern im Herbst bewirtschafteten Clausen und seine Frau den Hof alleine.
Clausen schob die Scheunentore auf und bestieg einen großen Traktor. Der rauhe, alte Dieselmotor sprang bei der ersten Umdrehung an. Er legte den höchsten Gang ein, fuhr auf den Hofplatz hinaus, bog in einen unbefestigten Weg ein und hielt auf die Felder zu, die bereits abgeerntet waren und jetzt für die nächste Frühjahrsaussaat vorbereitet wurden.
Heute wollte er eine kleine Vertiefung einebnen, die sich an der Südwestecke des Salatfelds gebildet hatte. Es handelte sich um eine der wenigen Außenarbeiten, die er abschließen wollte, bevor der Winter kam. Am Abend zuvor hatte er eine Baggerschaufel vorn am Traktor angebracht, um die Senke mit Erde von einem Hügel in der Nähe eines alten Bunkers aus dem letzten Krieg zu füllen.
Früher hatte ein Teil von Clausens
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