Die Akademie der Lüste (German Edition)
»Nicht nur für mich. Du wünschst es dir, oder?« Sie machte einen Schritt auf ihn zu, und er wich tatsächlich vor ihr zurück. »Sag mir, dass ich mich irre. Dass du nicht auch an mich denken musst, seit wir uns gesehen haben.« Es war eine bloße Behauptung, die Eileen da von sich gab, aber noch während sie die Worte aussprach, wusste sie, dass sie wahr waren. Sie spürte diese Anziehung zu Morgan, weil er sie auch spürte. Er wollte sie ebenso wie sie ihn wollte. Es ging nicht darum, ob sie es sich wünschte oder nicht. Es war eine Tatsache. Und sie musste die letzte Bestätigung aus seinem Mund hören.
»Es ändert nichts.«
»Das ist es nicht. Ich will es von dir hören!«, erwiderte Eileen eindringlich. »Nur um es zu wissen. Sag es mir.«
Morgan starrte sie an wie eine Erscheinung, wie einen Geist, der ihn nicht mehr aus seinen Fängen ließ. Nur sehr langsam nickte er, mied dabei aber Eileens Blick. »Ja«, sagte er leise.
Eileen starrte ihn an, als sie plötzlich die Bestätigung für ihre Vermutung erhielt. In ihr tobten die unterschiedlichsten Gefühle, aber über allem, wie lautes Rufen, hörte sie nur das leise, raue, kratzige »Ja« aus Morgans Mund. Sie schluckte hart, drehte sich um und floh aus dem Felsengang mit seinen doppelten Spiegeln.
Es hätte nicht schöner sein können. Jaine saß auf dem Geländer des winzigen Ferienhauses, in das Lorna sie nach der Feier im Haus der Tausend Masken gebracht hatte und in dem sie sich seit drei Tagen aufhielten.
Sie hatte nicht übertrieben – das Haus war wirklich winzig und befand sich mitten im Dschungel am Fuße eines erloschenen Vulkans. Die Luft war feucht, aber sauber. Wie ein weicher, mit lauwarmem Wasser getränkter Schwamm, der nach einer Weile einen feuchten Film auf ihrer Haut hinterließ. Die immer wieder aufkommenden Böen kühlten den Körper wieder ab, weswegen Jaine sich doch ziemlich wohlfühlte.
Nur zwei Dinge nagten an ihr und unterbrachen die perfekte Idylle immer wieder: Jaine hatte in diesen drei Tagen nichts von Eileen gehört, und der Gedanke an Michael wurde immer drängender. Sie hatte über Lornas Handy bereits versucht, Eileen zu erreichen, doch sie erhielt dabei immer nur die Nachricht, dass der Teilnehmer zurzeit nicht verfügbar war.
Die Nummer ihres Verlobten anzurufen, wagte sie nicht. Immerhin war sie genau deshalb hier. Sie wollte sich neu entdecken, und das tat sie mit immer weiterwachsender Begeisterung. Und sobald sie wieder zu Hause war, würde auch Michael etwas davon haben.
Die Vorstellung, wie Michael auf eine »neue« Jaine reagieren mochte, gefiel ihr sehr gut und sorgte dafür, dass die düsteren Gedanken verschwanden. Nur die Sehnsucht konnte sie nie ganz abstellen. Wie eine unsichtbare Hand lag sie auf ihrem Herzen und wollte sich einfach nicht fortbewegen.
»Genießt du die Ruhe?«, erklang Lornas Stimme hinter ihr, und Jaine drehte sich zu ihrer Aikane um.
»Noch«, antwortete sie mit einem Grinsen, das Lorna erwiderte. Sie beide wussten, dass die Dschungelvögel bald anfangen würden zu zetern und zu schimpfen.
Lorna setzte sich neben Jaine und legte den Kopf auf deren nackte Schulter.
»Dich bedrückt doch etwas«, sagte sie leise. Und als Jaine den Kopf schüttelte, erwiderte Lorna: »Doch, streite es nur nicht ab.«
Jaine biss sich auf die Lippe, entgegnete aber nichts.
Lorna sah sie aber noch immer aufmerksam an, und Jaine gab schließlich seufzend zu: »Ich vermisse Michael.« Das sagte sie so leise, dass Lorna es mit Sicherheit auch einfach überhören konnte, wenn sie es denn wollte. Sie wusste nicht wieso, aber es war ihr unangenehm, dies ihrer Aikane einzugestehen. Sie verspürte sogar ein schlechtes Gewissen, dabei war das doch gar nicht nötig. Immerhin ging es hier nicht darum, ihrer Geliebten zu beichten, dass sie jemand anderen hatte, sondern um vollkommen normale und nachvollziehbare Gefühle, die Jaine für ihren Verlobten hegte.
Lorna streichelte ihre Wange und umfasste ihre Hand. Wortlos zog sie sie in das Innere der Hütte, die nur aus vier Räumen bestand, die zu einem großen Quadrat angeordnet waren. Lorna führte sie durch die Hütte zu der zweiten Terrasse, die sich direkt dahinter befand. In deren Mitte war ein Becken aus Holz installiert worden, das jederzeit mit heißem Wasser aufwarten konnte. Das Becken wurde durch die letzten verbliebenen Magmareste des Vulkans gespeist, hatte Lorna Jaine bald nach ihrer Ankunft erklärt, und sie wusste bereits um die
Weitere Kostenlose Bücher