Die Akte Daniel (German Edition)
Anspruch darauf streitig machen würde.
Und, das war auch für alle Beteiligten besser so.
Demetrius parkte den Porsche am Ende der Einfahrt und stieg aus. Licht schimmerte durch die Fenster der untersten Stockwerke. Auch die Tür war offen; hier gab es nichts zu stehlen, und davon abgesehen hätte es auch niemand gewagt.
Demetrius trat in den Flur und ließ seine Autoschlüssel mit einem leisen Klingen auf ein Tischchen fallen, bevor er seinen schwarzen Mantel auszog. Ein hellgrauer Mantel hing bereits an der Garderobe.
Er fand den anderen Zufluchtsuchenden an der Bar. Das Gegenteil seiner selbst. Bis auf die fast annähernd gleiche Größe hatten sie nichts miteinander gemein. Da wo Demetrius hell und leuchtend war, war der andere dunkel und schwarz wie die Nacht. Demetrius war zudem zierlich im Vergleich. Der andere war massig, ohne dick zu sein. Pures Fleisch und Muskeln, die sich geschmeidig um starke Knochen legten.
Doktor Fearman wandte sich zu ihm. In seinen Händen waren zwei Gläser mit sündig teurem Scotch. Stumm reichte er eines davon Demetrius.
Dieser nahm es an und trank einen Schluck. Der Drink hatte genau die richtige Temperatur. Einen Augenblick sahen sich die beiden Männer stumm an, dann fragte Demetrius mit hochgezogener Augenbraue: »Gibt es etwas zu feiern oder war der Tag besonders hart?«
Fearman nahm einen Schluck und lächelte. »Wir reden nicht von der Arbeit, mein Lieber«, erinnerte er Demetrius an eine uralte Vereinbarung, die nicht aus dieser Welt stammte, aber deren Regeln bestimmte. »Und nein, es gibt nichts zu feiern. Ich freue mich einfach, dich zu sehen.«
»Danke.« Demetrius nahm noch einen Schluck. »Bist du schon lange hier? Man könnte fast meinen, du hast mich vermisst.« Es war wie immer ein Spiel, ein vorsichtiges Beschleichen, immer in Rücksicht auf eine Linie, die nicht übertreten werden durfte. Niemals, um keinen Preis dieser Welt.
Das, was sie hier taten, war Hochverrat. Es verstieß gegen ihre eigenen Prinzipien und sie mussten sie jedes Mal aufs Neue niederkämpfen. Es gab keine Entschuldigung, keine Ausrede, keinen Vorwand.
Und doch gab es dieses Haus, diesen Raum und diese Zeit, die sie miteinander verbrachten, als gäbe es außer ihnen nichts – nicht das Außerhalb, das Draußen, ihr normales Leben. Und vor allem nicht den Krieg zwischen ihren Organisationen.
»Ich habe an dich gedacht«, gab Fearman zu. »Und ich bin schon lange genug hier, um zu sehen, wie du gekommen bist.«
»Du kennst ja den Verkehr um die Uhrzeit.« Demetrius setzte sich in einen der Sessel, ließ Fearman aber nicht aus den Augen. »Es ist einen Monat her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben.«
Fearman nickte. »Ja, es ist lange her.« Er griff in seine Sakkotasche und zog eine CD hervor. »Hier, ich hoffe, du magst diese Richtung des Jazz. Es ist recht experimentell. Ich fand es schön.«
Demetrius nahm die CD entgegen und beugte sich hinüber zur Stereoanlage, um sie einzulegen. Sanfte und dennoch schwungvolle Töne erfüllten den Raum, webten ein Tuch, das sich über die sowieso schon unwirkliche Atmosphäre legte.
»Das erinnert mich an damals, als wir uns das erste Mal trafen«, meinte Demetrius, nachdem er eine Weile gelauscht hatte. Fast unwillkürlich fuhr seine Hand zu den dünnen Narben in seinem Gesicht.
Fearman lächelte. Oh ja, er erinnerte sich auch gut daran. Sie hatten einander erkannt und waren mit blitzenden Waffen aufeinandergeprallt. Nur hatte jeder von ihnen andere Waffen und keine davon war in irgendeiner Weise waffenscheinpflichtig. Das Ergebnis war, dass Demetrius seit diesem Tag gezeichnet war. Ganz offen.
Fearman trug dafür andere Wunden mit sich, die nicht so offensichtlich waren. Für Tage danach waren sie außer Gefecht gesetzt gewesen. Irgendwann, fast ein Jahr danach, waren sie wieder aufeinandergetroffen. Doch dieses Mal nur mit warnend gezogenen Waffen. Sie hatten nicht gekämpft.
Danach trafen sie sich immer wieder. Abwartend, suchend, auf einen Vorteil bedacht. Daraus wurde mehr. Es war die seltsamste Beziehung für Fearman, die er jemals zu einem Menschen eingegangen war. Für Demetrius war es die Persönlichste überhaupt. Er kannte sonst kein Privatleben.
Jetzt jedoch musste er dieses eine mit aller Kraft schützen, und die meiste Kraft musste er gegen sich und seine innerste Überzeugung aufwenden. Die Dinge hatten sich geändert. Langsam, unmerklich, aber auf eine sehr beständige Weise. Fast drei Jahre nach ihrem ersten
Weitere Kostenlose Bücher