Die Akte Golgatha
Sheba Yadin sich mit dem Institut de Lucas in Verbindung setzen würde. Wir müssen herausbekommen, was sie dort will!«
»Hm.« Francesca hielt das Steuer umklammert und blickte vor sich auf die Straße. »Die Sache ist vielleicht etwas riskant«, sagte sie, »aber wenn wir Glück haben, könnte es klappen.«
Wie bei seinem ersten Besuch in Turin stieg Gropius im ›Le Meridien Lingotto‹ ab. Zu gewagt erschien es ihm, sich im selben Hotel wie Sheba Yadin einzumieten. Gegen 16 Uhr begab er sich mit einem Taxi zum Corso Belgio in ein Café namens ›Amoretti‹, in der Nähe der Brücke über den Po gelegen, so wie es Francesca beschrieben hatte.
Wenig später und nicht weit entfernt auf dem gegenüberliegenden Flussufer bog Francesca Colella mit ihrem Van in die Via Chieri ein und kam schließlich vor der zweigeschossigen Villa zum Stehen, an deren Eingang noch immer das Schild ›Istituto Prof. Luciano de Luca‹ prangte.
Francesca stieg aus und ging vor dem Eingang auf und ab. Sie hatte sich in ein altmodisches Kostüm geworfen, das sie um Jahre älter erscheinen ließ, und ihre randlose Brille mit einem dunklen Horngestell vertauscht, das ihr eine gewisse Strenge und Seriosität verlieh. Sie wartete nicht lange, als Sheba Yadin mit einem Taxi vorfuhr.
»Sie sind Miss Yadin?«, Francesca trat ihr entgegen. Sie sprach Englisch.
»Ja«, erwiderte Sheba zögernd.
»Ich bin Signora Selvini!« Francesca streckte Sheba die Hand entgegen. »Ich vergaß am Telefon zu sagen, dass wir uns besser nicht im Institut unterhalten sollten. Es gibt hier in der Nähe ein Café. Dort sind wir ungestört. Es ist Ihnen doch recht?«
Sheba Yadin zögerte, und Francesca überlegte, ob sie irgendetwas falsch gemacht hatte, ob die wirkliche Signora Selvini vielleicht eine ganz andere Stimme hatte. Warum zierte sich Sheba so?
Endlich, nach einer Weile, die Francesca wie eine Ewigkeit vorkam, erwiderte Sheba: »Nun gut, wenn Sie meinen, Signora Selvini.«
Während sie in Francescas Van den Corso Chieri hinabfuhren, sah Francesca Sheba von der Seite an und dachte: Ein verdammt hübsches Frauenzimmer! Sheba blickte geradeaus auf die Straße, weniger aus Verlegenheit, die der Situation durchaus angemessen gewesen wäre, nein, man sah, dass es in ihrem Kopf arbeitete.
Nach ein paar schweigsamen Minuten erreichten sie das Lokal am Corso Belgio, in dem sich um diese Zeit vorwiegend junge Leute aufhielten. Gropius hatte mit dem Gesicht zur Wand an einem Ecktisch Platz genommen und saß in den Corriere della Sera vertieft. Geschickt dirigierte Francesca Sheba Yadin an den Nebentisch und bestellte zwei Caffè latte. »Sie trinken doch Milchkaffee?«, fragte sie der Form halber.
Sheba nickte.
Als noch immer kein Gespräch in Gang kommen wollte, erkundigte sich Francesca vorsichtig: »Sie kannten Mr. Schlesinger?«
Kaum stand die Frage im Raum, da wurde Francesca von Zweifel befallen, ob sie sich nicht gleich mit der ersten Frage verraten hatte.
Doch da erwiderte Sheba: »Ja, das kann man wohl sagen. Wir wollten heiraten.«
Francesca tat erstaunt. »Umso mehr muss Sie sein Tod getroffen haben.«
»Ich möchte nicht darüber reden!«
»Ich verstehe«, bemerkte Francesca nachdenklich. »Wussten Sie eigentlich, dass Professore de Luca ebenfalls keines natürlichen Todes gestorben ist?«
»Ja, ich habe davon gehört. Haben nicht Sie mir am Telefon davon berichtet?«
Nerven behalten, dachte Francesca, und im selben Atemzug antwortete sie: »Mag sein, jetzt erinnere ich mich. Wissen Sie, wir sind alle etwas durcheinander, seit Luciano de Luca nicht mehr da ist.« Und nach kurzem Nachdenken und der Erkenntnis, dass das auf jeden zutraf, fügte sie hinzu: »Er war manchmal ein Tyrann, trotzdem liebten wir ihn wie einen Vater. Er war ein großer Wissenschaftler. Aber was kann ich für Sie tun, Miss Yadin?«
Als wollte sie sich daran wärmen, umfasste Sheba das schlanke Milchkaffee-Glas mit beiden Händen, dann beugte sie sich über den Tisch und sagte leise: »Es geht um die Stoffprobe, deren Analyse Arno Schlesinger bei Professore de Luca in Auftrag gegeben hat. Ich nehme an, Sie wissen davon. Das Ergebnis der DNA könnte unter Umständen von großer Bedeutung sein. Zwanzigtausend wurden von Schlesinger bereits angezahlt. Durch die Umstände, die ich nicht weiter erörtern muss, kam es nicht mehr zur Übergabe. Kurz und gut, ich bin befugt und habe die restlichen zwanzigtausend Euro bei mir, um das Analyseobjekt zu übernehmen.«
Shebas
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