Die Akte Golgatha
wurden Fichte und seine Geliebte einem Pariser Haftrichter vorgeführt.
Noch am selben Tag erschien die Bild -Zeitung mit der Schlagzeile: NEUER KLINIKMORD NACH ORGANVERPFLANZUNG – 42-jährige Berlinerin stirbt wenige Stunden nach erfolgreicher Lungentransplantation.
Auf dem Flug von Tel Aviv nach Rom ließ Gropius Sheba Yadin nicht aus den Augen. Er war sicher, dass Sheba ihn auf eine neue Fährte bringen würde. Trotz aller Zweifel, die Yussufs Aussage bei ihm hinterlassen hatte, lastete dessen Bericht wie ein Fels auf seiner Brust. Allein die Möglichkeit, dass Schlesingers Entdeckung den Tatsachen entsprach, versetzte ihn in Unruhe. Er bemerkte, dass seine Hände zitterten, als er verstohlen die Fotos aus der Innentasche seines Jacketts zog, um sie zum wiederholten Mal zu betrachten. Warum hatte er nicht von Yussuf den Film gefordert? Die Qualität der Bilder war nicht gerade die beste. Der Gedanke kam ihm kurz vor der Landung in Rom.
Für den Anschlussflug nach Turin blieb eine knappe Stunde Zeit, und Gropius verfolgte Sheba aus sicherer Entfernung. Er wollte sichergehen, dass sie sich unbeobachtet fühlte, denn er wusste nicht, ob sie ihn bei seinem Besuch in Be'er Sheva nicht doch gesehen hatte.
In Turin wartete Francesca mit ihrem grauen Van vor dem Ausgang des Flughafengebäudes.
»Ich hätte nicht geglaubt, dass wir uns so schnell wiedersehen würden!«, rief sie und fiel Gregor um den Hals.
»Ich auch nicht, ehrlich gesagt«, antwortete Gropius, und dabei nutzte er die Gelegenheit, über Francescas Schulter hinweg nach Sheba Ausschau zu halten. Am Telefon hatte er ihr bereits erklärt, worum es ging, dass Sheba Schlesingers Geliebte gewesen war, dass sie das Geheimnis kannte, das Schlesinger zu einem reichen Mann gemacht hatte, und dass sie nun vermutlich daran ging, ihr Wissen zu Geld zu machen.
Worum es sich bei Schlesingers Entdeckung handelte, darüber hatte Gropius bisher Stillschweigen bewahrt, obwohl er wusste, dass es nötig war, Francesca möglichst bald in das Geheimnis einzuweihen.
»Dreh dich einmal unauffällig um«, sagte Gropius, während er sich aus Francescas heftiger Umarmung löste, »das Mädchen im dunklen Hosenanzug und mit den kurzen blonden Haaren, das ist Sheba Yadin. Wir dürfen sie nicht aus den Augen lassen.«
Francesca musterte die junge Frau mit jenem Blick von Überheblichkeit, welcher Frauen auszeichnet, die jede weibliche Erscheinung als potenzielle Nebenbuhlerin betrachten. Dann hakte sie sich bei Gropius unter und schob ihn in Richtung ihres Fahrzeugs. Im Rückspiegel beobachtete sie, wie Sheba Yadin ein Taxi bestieg. Sie startete den Motor und nahm die Verfolgung auf.
Wie nicht anders zu erwarten, ging die Fahrt des Taxis über die Autobahn in Richtung Süden. Auf der Via Cigna staute sich der Verkehr, und mehr als einmal drohten sie das Taxi aus den Augen zu verlieren, aber mit der ihr eigenen Routine und einer guten Portion Rücksichtslosigkeit verstand es Francesca, sich immer wieder hinter das Fahrzeug zu drängen.
Am Bahnhof bog das Taxi in die Via Cernaia ein und hielt vor dem Hotel ›Diplomatic‹, einem fünfstöckigen Bauklotz mit Arkadenbögen vor dem Eingang. Francesca parkte auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Gemeinsam beobachteten sie, wie Sheba Yadin das Hotel betrat.
»Okay, warte hier auf mich«, sagte Francesca, sprang aus dem Auto, noch bevor Gregor antworten konnte, und verschwand im Hotel.
Als sie nach etwa zwanzig Minuten zurückkehrte, machte Gropius ein besorgtes Gesicht. Nachdem sie wortlos am Steuer Platz genommen hatte, reichte sie Gregor einen Zettel. Der sah sie fragend an. Auf dem Zettel stand: »Yadin – ›Hotel Diplomatic‹, Zimmer 303, gebucht für drei Tage, 16 Uhr 30, Treffen Signora Selvini, Istituto Prof. de Luca.«
»Woher weißt du das?«, fragte Gropius ungläubig.
Francesca berührte mit dem Zeigefinger ihr linkes unteres Augenlid. Die übermütige Geste wirkte komisch auf Gropius, aber gleichzeitig auch so erlösend, dass beide lachten.
»Woher weißt du das alles?«, wiederholte Gregor seine Frage.
Francesca hob die Schultern. »Du vergisst, dass ich einem Beruf nachgehe, der es bisweilen erforderlich macht, sich am Rande der Legalität zu bewegen. Als ich die Zimmernummer wusste, habe ich an der Tür ein Telefongespräch belauscht.«
»Genau das habe ich erwartet«, sagte Gropius vor sich hin.
»Wie bitte?« Francesca sah ihn erstaunt an.
Gropius lachte. »Ich meine, ich habe erwartet, dass
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