Die Akte Golgatha
in dunklen Mänteln.
»Sind Sie o.k.?«, fragte der eine, und der andere fingerte irgendetwas aus seiner Manteltasche, hielt es Gropius entgegen und sagte: »Kriminalpolizei. Da haben Sie ja noch einmal Glück gehabt.«
Der Mann trat auf den immer noch am Boden Kauernden zu und half ihm auf.
»Glück, wieso Glück?«, fragte Gropius mit deutlichen Anzeichen von Verwirrung.
Die beiden Kripobeamten waren mit vergleichbaren Situationen eher vertraut, und sie schenkten den Worten Gregors keine Beachtung.
»Das Feuer!«, nuschelte Gropius und zeigte mit ausgestrecktem Arm in Richtung der Flammen, als hätten die beiden Männer nichts davon bemerkt.
Der eine fasste Gropius am Arm, um ihn wegzuziehen. »Schon gut«, meinte er beschwichtigend, »die Feuerwehr ist verständigt. Seien Sie froh, dass Sie den Anschlag überlebt haben. Kommen Sie!«
Als sei es von Bedeutung zu wissen, wie spät es war, warf Gropius einen Blick auf die Uhr. Die Zeiger standen auf 16 Uhr 19. Schweigend folgte er den Männern zur Straße. Dort wartete ein beigefarbener BMW, eines von jenen unauffälligen Fahrzeugen, die ihn seit Tagen verfolgten; aber das fiel ihm in diesem Augenblick nicht weiter auf.
Die Beifahrertür des Wagens stand offen, so als hätte man das Fahrzeug in höchster Eile verlassen.
Gropius wurde aufgefordert, auf dem Rücksitz Platz zu nehmen. Dann wendete das Fahrzeug und fuhr in Richtung Autobahn. Während der Fahrt telefonierte der Beifahrer mit verschiedenen Dienststellen. Wagen mit Blaulicht und Feuerwehren kamen ihnen mit heulenden Sirenen entgegen. Als der BMW auf die Autobahn in Richtung München einbog, kam Gropius wieder zu sich, erst jetzt war er in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen.
Was passiert war, seit er Felicias Haus übereilt verlassen hatte, war ihm völlig entfallen. Jetzt versuchte er sich mit aller Macht zu erinnern, aber es wollte nicht gelingen. Vor sich sah er immer nur dieses gelbe Paket mit Felicias Adresse und dem Absender des Versandhauses. »Ein gelbes Paket«, redete er leise vor sich hin, »ein gelbes Paket.«
»Was sagten Sie?« Der Beifahrer wandte sich um.
»Ach nichts. Ich versuche nur mich zu erinnern. Die Bombe war in einem gelben Paket versteckt, ja, es war ein gelbes Paket, adressiert an Felicia Schlesinger.«
Die beiden Kriminalbeamten warfen sich einen vielsagenden Blick zu, dann griff der Beifahrer zum Telefon und gab die Information weiter. Gropius hörte teilnahmslos zu, so als ginge ihn das Ganze nichts an.
Aber plötzlich stellte er die Frage: »Wieso waren Sie eigentlich so schnell zur Stelle?«
Ohne den Blick von der Straße zu nehmen – der Wagen fuhr mit hoher Geschwindigkeit –, erwiderte der Fahrer: »An Ihrem Wagen befand sich seit einigen Tagen ein Peilsender. Wir wussten immer, wo Sie sich gerade aufhielten. Haben Sie eine Ahnung, wer Ihnen diese Wanze ins Nest gesetzt haben könnte?«
»Wie?«, fragte Gropius erstaunt. »Wollen Sie damit sagen, dass der Peilsender von jemand anderem installiert wurde?«
Der Fahrer, ein junger Mann mit langen öligen Haaren, lachte gekünstelt. »Genau das. Ein billiges Ding mit keiner allzu großen Reichweite und mit jedem einfachen Scanner zu orten.«
»Wohin bringen Sie mich eigentlich?«, fragte Gropius nach einer Zeit des Nachdenkens, die ihm jedoch keine neuen Erkenntnisse brachte.
»In unsere Dienststelle«, erwiderte der eine Kriminaler. »Ich glaube, Sie sind uns jetzt ein paar Erklärungen schuldig!«
»Erklärungen?« Gropius schüttelte den Kopf und versank ins Grübeln.
Das Gebäude in der Nähe des Hauptbahnhofs wirkte beengt, kalt und abweisend. Aber Wolf Ingram, der Leiter der Sonderkommission Schlesinger, zeigte sich höflich und zuvorkommend gegenüber Gropius, jedenfalls ganz anders als Staatsanwalt Renner, der ihm noch in äußerst unangenehmer Erinnerung war.
Mit der Routine eines erfahrenen Kripobeamten klärte Ingram Professor Gropius über dessen Rechte auf, bat das Gespräch aufzeichnen zu dürfen und stellte ihm eingangs die Frage: »In welcher Beziehung stehen Sie zu Frau Schlesinger?«
Die Frage war nahe liegend, und Gropius hatte sie erwartet. Deshalb gab er sich gelassen und antwortete: »In gar keiner, falls Sie das meinen. Sie kennen die unglücklichen Umstände, die uns zusammengeführt haben. Ich habe Frau Schlesinger vor ein paar Tagen zum ersten Mal gesehen. Ich dachte, die Witwe könnte die Umstände um den Tod ihres Mannes etwas erhellen. Nach wie vor bin ich nämlich
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