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Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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führte ein Doppelleben? An mehreren Orten, mit unterschiedlichem Umfeld? Verschiedenen Interessen?«
    »Ich glaube, so könnte man das sagen.«
    »Und sein Tod könnte damit in Zusammenhang stehen?«
    »Jedenfalls ist das meine Erklärung.«
    Gropius machte ein gequältes Gesicht, als wollte er sagen: Ich würde Ihnen nur allzu gerne glauben …
    Da erhob sich Felicia Schlesinger und verschwand für einen Augenblick im Nebenzimmer. Als sie zurückkehrte, hielt sie ein paar geheftete Blätter Papier in der Hand. Sie wollte gerade etwas sagen, da meldete der Türgong einen Besucher. Felicia legte den Ordner auf den runden Tisch und ging zur Haustür.
    »Der Paketdienst«, meinte sie entschuldigend, als sie zurückkam, und stellte ein gelbes Päckchen zur Seite. Dann nahm sie den Hefter in die Hand und sagte: »Hier, sehen Sie, ich bin eher zufällig darauf gestoßen. Ein Schweizer Konto auf den Namen Arno Schlesinger mit einer Einlage von 10,3 Millionen Euro.«
    Gropius pfiff leise durch die Zähne, was überhaupt nicht seine Art war, aber es gibt Situationen, die ungewöhnliche Reaktionen hervorrufen. Dies war so eine Situation, und der Professor stellte die Frage: »Und Sie haben von diesem Konto nichts gewusst? Ich meine, zehn Millionen sind eigentlich genug, um sich in jungen Jahren zur Ruhe zu setzen. Sind Sie sicher, dass dieses Konto überhaupt existiert?«
    Felicia hob beide Hände und nickte mit dem Kopf: »Ich habe mich bereits erkundigt. Mit dem Konto hat alles seine Richtigkeit. Außerdem konnte ich in Erfahrung bringen, wie das Geld auf das Konto gelangte. Arno hat es bar eingezahlt, einfach so, aus dem Koffer!«
    »Und Ihr Mann hat nie eine Andeutung gemacht, dass Sie eigentlich steinreich sind – Sie verzeihen den Ausdruck.«
    »Nie. Im Gegensatz zu mir lebte Arno eher bescheiden. Ich gebe für Kleidung und Schuhe viel Geld aus. Aber ich verdiene gut. Sollte ich es auf die Bank tragen und jeden Tag meine Kontoauszüge streicheln?«
    »Ihr Mann hat das offensichtlich getan!«
    »Scheint so«, bekräftigte Felicia, »aber das ist nicht alles.«
    Sie nahm die Kontoauszüge und verschwand in dem Zimmer, aus dem sie die Unterlagen geholt hatte.
    Unwillkürlich fiel Gropius' Blick auf das gelbe Paket. Die Ereignisse der letzten Tage hatten ihn sensibilisiert, hinter allem und jedem Verdacht zu schöpfen, und die soeben erhaltenen Informationen trugen nicht gerade dazu bei, seinen Argwohn zu zerstreuen. Deshalb schielte er auf das Paket, las die an Felicia Schlesinger gerichtete Adresse und den Absender, ein bekanntes Versandhaus.
    Mit den Worten: »Es gibt noch weitere Rätsel in diesem Haus!«, kehrte Felicia aus dem Nebenzimmer zurück. In ihren Händen hielt sie einen Stoß Flugtickets. »Alle auf den Namen Arno Schlesinger, die meisten vom vergangenen Jahr: Rom, Paris, Turin, London, Tel Aviv, eines nach Miami und weiter nach Key West, sogar nie benützt. Aber – während dieser Zeit hielt sich Arno angeblich bei Ausgrabungen in Israel auf.«
    »Sind Sie sicher?« Gropius sah Felicia prüfend an.
    »Sicher, was heißt sicher«, murmelte Felicia ungehalten, und zum ersten Mal bemerkte Gropius eine dunkle Ader, die auf ihrer Stirn anschwoll. »Wir haben regelmäßig telefoniert, ab und zu kam ein Brief aus Israel. Warum hätte Arno mir dieses Theater vorspielen sollen? Wir führten keine schlechte Ehe, jedenfalls glaubte ich das bis zu seinem Tod. Aber vielleicht war ich zu gutgläubig und zu vertrauensselig, vermutlich war ich einfach zu dumm.« Felicias Stimme klang wütend und weinerlich zugleich, denn nichts kränkt eine Frau mehr als missbrauchtes Vertrauen.
    Gropius schien gar nicht mehr zuzuhören. »Haben Sie das Paket erwartet?«, fragte er unvermittelt.
    Weit weg mit ihren Gedanken, sah sie den Besucher an; dann nahm sie das Paket in beide Hände, las den Absender, schüttelte es hin und her und erwiderte: »Nein, keine Ahnung. Irgendein Versandhaus.«
    Die Nervosität des Professors blieb auch Felicia nicht verborgen. Sie hatte Gropius als gestandenen Mann kennen gelernt, der in jeder Situation die passenden Worte fand. Jetzt entdeckte Sie Schweißperlen auf seiner Stirn, und sie sah, dass seine Hände zitterten.
    »Was haben Sie, Professor?«, sagte Felicia und machte sich daran, das Paket zu öffnen, doch Gropius stürzte auf sie zu, entriss ihr das gelbe Etwas und stellte es vor der Fensterfront auf den Boden. Dann fasste er Felicia an beiden Handgelenken und sah sie durchdringend an.

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