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Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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»Felicia! Das ist eine Bombe! Sie dürfen das Paket auf keinen Fall öffnen.« Felicia starrte ihn entsetzt an. »Was sollen wir tun?«
    »Das Ding muss weg, raus damit!«
    »Aber wohin?«, fragte Felicia, nun ebenfalls von Unruhe erfasst.
    »Weg von hier, Hauptsache weg!« Gropius rannte vor das Haus, öffnete den Kofferraum seines Wagens, kam zurück und trug das Paket nach draußen, um es im Auto zu verstauen.
    »Sollten wir nicht die Polizei einschalten?«, rief Felicia, während Gropius sich in den Wagen setzte und Gas gab.
    »Später!«, hörte sie gerade noch Gropius' Antwort. Dann war das Fahrzeug um die nächste Biegung verschwunden.
    Wie paralysiert steuerte Gropius den Jaguar auf der engen Bergstraße talwärts. Sein Ziel war eine abseits gelegene Kiesgrube. Er war sich in diesem Augenblick nicht mehr ganz sicher, ob er das Richtige tat. Vielleicht, dachte er, gibst du dich mit dieser Aktion der Lächerlichkeit preis. Vielleicht war das, was in den letzten Tagen auf dich einstürmte, einfach zu viel, zu viel, um es ohne psychischen Schaden wegzustecken. Vielleicht war es das Unsinnigste, was er überhaupt tun konnte, mit einer Bombe im Kofferraum durch die Gegend zu rasen, ohne Chance, wenn das Ding in seinem Rücken hochging. Die Angst verursachte ihm Übelkeit. Er wollte sich übergeben; aber sein Hals war wie zugeschnürt. Vor seinen Augen verschwamm im Nieselregen das schmale Band der Straße. Er lachte, Gropius lachte laut und unverschämt, wie man in Augenblicken großer Angst lacht. Er lachte, weil ihm durch den Kopf schoss, dass er in Panik vielleicht ein hoch explosives Paket spazieren fuhr und sein Leben am nächsten Baum aushauchen könnte, grundlos und ohne etwas erreicht zu haben.
    So kam er auf die Uferstraße und schlug den Weg nach rechts ein. Er wusste, dass ein paar Kilometer nordwärts, in Gmünd, eine Straße abzweigte in Richtung Schliersee. Kurz hinter der Abzweigung lag eine Kiesgrube, dort wollte er den Jaguar mit seiner gefährlichen Fracht abstellen und die Polizei benachrichtigen.
    Kaum hatte Gropius die Abzweigung erreicht, da meldete sich Felicia Schlesinger am Autotelefon. Ihre Stimme überschlug sich: »Gropius, ein Unbekannter hat gerade angerufen, ob ich das Paket erhalten hätte. Ich sagte ja, und er meinte, wenn mir mein Leben lieb sei, sollte ich das Haus auf schnellstem Weg verlassen. Um 16 Uhr würde das Paket mitsamt dem Haus in die Luft fliegen.«
    Gropius hatte jedes Wort gehört, aber er war zu keiner Reaktion fähig. Er lenkte seinen Wagen mit hoher Geschwindigkeit stur geradeaus.
    »Gropius!«, vernahm er Felicias eindringliche Stimme, »Gropius, haben Sie mich verstanden?«
    »Ja«, erwiderte Gropius zaghaft, »wie spät ist es?«
    »Genau 16 Uhr.«
    Gropius trat auf die Bremse. Rechterhand erkannte er den unbefestigten Weg, der zur Kiesgrube führte. Einem unerklärlichen Automatismus folgend, lenkte er das schaukelnde Fahrzeug in diese Richtung, brachte es auf halber Strecke zum Stehen, stellte den Motor ab, stieg aus, überlegte noch, ob er das Auto abschließen sollte, zog es dann aber vor wegzulaufen. Gropius rannte, er hetzte in die Richtung, aus der er gekommen war, überquerte die Straße und rannte weiter im regennassen Gestrüpp. Längst war er außer Sichtweite seines Autos, als ein Feuerblitz die Dämmerung zerriss, es folgten ein dumpfer Knall und eine Druckwelle, die ihn zu Boden warf. Instinktiv hielt er beide Arme über den Kopf, und sein Gesicht tauchte in feuchtes Moos. Er glaubte, das Bewusstsein verloren zu haben, aber allein der Gedanke belehrte ihn eines Besseren.
    Nach einer Zeit, die er nicht mehr abschätzen konnte, wagte Gropius den Kopf zu heben. Vor sich sah er einen gewaltigen Feuerschein. Da begann er zu heulen wie ein kleines Kind. Der selbstbewusste Professor, von dem niemand aus seiner Umgebung sagen konnte, er habe ihn jemals überreizt oder gar fassungslos erlebt, schluchzte und ließ seinen Tränen freien Lauf.
    Gropius kauerte mit angewinkelten Beinen auf dem Boden, er stützte sich mit den Händen ab und hatte, unfähig zu handeln, den Blick auf den Feuerschein hinter den Bäumen gerichtet. Das gewaltige Knacken des Feuers, das von kleineren Explosionen unterbrochen wurde, wirkte unheimlich.
    »Professor Gropius!« Gregor erschrak, als er neben sich eine Stimme vernahm. Verwirrt und ohne seine Haltung zu verändern, wandte er den Blick zur Seite. Wie aus dem Boden gewachsen standen vor ihm im diesigen Zwielicht zwei Männer

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