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Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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der Ansicht, dass der Schlüssel zu dem Verbrechen bei Schlesinger selbst zu suchen ist. Für heute hatten wir eine zweite Zusammenkunft vereinbart.«
    »Wer wusste davon?«
    »Niemand, außer Frau Schlesinger und ich.«
    »Und wie gelangte die Bombe in Ihr Auto?«
    »Ich habe das Paket selbst in den Kofferraum gelegt.«
    Ingram, der dem Professor an seinem Schreibtisch gegenübersaß, sah ihn scharf an.
    »Das müssen Sie mir näher erklären!«
    »Nun ja, wir unterhielten uns, und Frau Schlesinger machte Andeutungen, dass ihr Mann sein eigenes Leben geführt habe, mit Verlaub, ein etwas eigenartiges Leben, das manche Frage aufwirft. Aber das geht mich nichts an. Plötzlich läutete es an der Haustür. Ein Paketbote brachte ein gelbes Päckchen, ungefähr zwanzig mal dreißig Zentimeter groß, an Felicia Schlesinger adressiert mit dem Absender eines Versandhauses namens ›Fontana‹.«
    »Umso erstaunlicher, dass Sie das Paket in Ihr Auto luden.«
    »Ich tat das nicht sofort! Auf meine Frage, ob Frau Schlesinger eine Sendung von dem Versandhaus erwarte, sagte sie nein. Das machte mich misstrauisch. Ich hatte ein ungutes Gefühl, und Sie werden mir nicht glauben, aber eine innere Stimme sagte mir: In dem Paket ist eine Bombe.«
    Ingram musterte Gropius mit festem Blick.
    »Ich weiß, was Sie jetzt denken«, nahm Gropius seine Rede wieder auf, »Sie glauben, ich bin verrückt oder ich habe mir irgendeine abenteuerliche Geschichte ausgedacht, so fragwürdig wie Humor in der Bibel!«
    »Keineswegs!«, unterbrach ihn Ingram. »Die Ermittlungen in einem Fall wie diesem bestehen aus einer Aneinanderreihung von Fragwürdigkeiten, die jedoch in der Summe ein logisches Ganzes ergeben. Deshalb glaube ich Ihnen, Professor. Und wenn ich Sie richtig verstehe, wollten Sie das Paket, in dem Sie die Bombe vermuteten, möglichst schnell aus dem Haus schaffen. Wie reagierte Frau Schlesinger darauf?«
    Gropius dachte nach. »Ich weiß es nicht mehr. Hier setzt mein Gedächtnis aus. Mein Handeln war nur von dem einen Gedanken bestimmt: Weg damit!«
    »Und warum verließen Sie Ihr Fahrzeug, kurz bevor es in die Luft flog?«
    Gropius hob die Schultern.
    Seit Stunden versuchte Felicia Schlesinger vergeblich, Gropius am Autotelefon zu erreichen. Aber sie hörte immer nur dieselbe künstliche Stimme: »Der Teilnehmer ist vorübergehend nicht erreichbar.« Von Unruhe getrieben ging sie in dem großen Wohnraum mit verschränkten Armen auf und ab. Bisweilen blieb sie stehen und blickte durch die hohen Scheiben hinunter auf den See, wo am anderen Ufer die Lichter der Promenade aufleuchteten. Ihre Gedanken kreisten um das gelbe Paket, mit dem Gropius so überstürzt verschwunden war, und die Drohung des Unbekannten am Telefon. Noch immer kamen ihr die Ereignisse dieses Nachmittags völlig unwirklich vor, aber die beiden Teetassen auf dem Tisch machten unumstößlich klar, dass der Albtraum Wirklichkeit war, und je länger sie Gropius nicht erreichen konnte, desto mehr wuchs ihre Gewissheit, dass ihm etwas zugestoßen sein musste.
    Gegen 19 Uhr schaltete sie das TV-Gerät ein. In den Nachrichten Alltägliches, ein Tankerunglück vor der Küste Westafrikas, ein Selbstmordattentat in Israel und schließlich die Meldung: »Auf einer Kreisstraße am Tegernsee explodierte am späten Nachmittag ein Kraftfahrzeug. Nach Angaben der Polizei handelte es sich um ein Bombenattentat. Die Detonation war so heftig, dass Teile des Fahrzeugs über hundert Meter weit geschleudert wurden. Von den Insassen fehlt bisher jede Spur.«
    Felicia starrte hinaus in die Dunkelheit. Sekundenlang begriff sie gar nichts. Erst allmählich, während sie ihr Spiegelbild in der Scheibe betrachtete, drang die grausame Realität in ihr Bewusstsein. Um nicht zu straucheln, presste sie beide Hände gegen das Fensterglas. Gropius war tot. Aber eigentlich, dachte sie, galt der Anschlag doch mir! Ihr Magen rebellierte, als hätte sie ein Dutzend Heuschrecken verschluckt. Mit starrem Blick schleppte sich Felicia zu einem Ohrensessel und ließ sich hineinfallen wie ein schwerer Sack. Seltsame Gedankenfetzen durchkreuzten zusammenhanglos ihr Gehirn: Geld macht nicht glücklich und Geld unbekannter Herkunft schon gar nicht. Wer einen Mord begeht, begeht auch zwei! Was hatte Schlesinger ihr verschwiegen?
    Plötzlich fühlte sich Felicia fremd und verlassen in dem großen Haus. Sie fröstelte. Angst kroch in ihr hoch, eine verschwommene Vorstellung von Männern, die sie jagten. Und wie im

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