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Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Schlesinger sei in einen groß angelegten, internationalen Antikenschmuggel verwickelt, bei dem es um Riesensummen gehe.
    Während sie der vertrauten Stimme lauschte, versuchte Felicia Gropius' Erkenntnisse mit Gesprächen, Bemerkungen und Ungereimtheiten aus der Vergangenheit in Einklang zu bringen. Ganz abwegig war die Vermutung nicht. Sie wusste selbst nur zu gut, welche Summen auf dem Kunstmarkt in Umlauf waren und dass es einen grauen Markt gab für von den Nazis enteignetes Kulturgut und einen schwarzen Markt für heiße Ware aus Einbrüchen. Ihr selbst war schon einmal ein Gemälde von Raffael angeboten worden, das vor zwanzig Jahren noch in einem Museum in Dresden gehangen hatte und seither als verschollen galt. Es gibt auf jedem Markt schwarze Schafe. Warum nicht auch auf dem Markt der Ausgrabungen und Antikensammler?
    Gropius hatte sich mittlerweile offenbar in einen wahren Fahndungsrausch hineingesteigert. Wie ein Spürhund, der Witterung aufgenommen hat, war er nicht mehr zu bremsen. Nachdem er die Forderung von zwanzigtausend Euro für die geheimnisvolle Kassette erwähnt hatte, mahnte Felicia, die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen oder die Information der Polizei weiterzugeben. Aber Gropius lehnte entrüstet ab. Man habe ja gesehen, was bei den Ermittlungen der Polizei rausgekommen sei: Nichts! Er, Gregor Gropius, werde den Beweis erbringen, dass der Tod Schlesingers das Werk organisierter Verbrecher sei und er folglich nicht verantwortlich gemacht werden könne. Dafür sei der Einsatz von zwanzigtausend Euro nicht zu hoch.
    So endete das Gespräch mit einem leisen Missklang. Trotzdem legte Gropius den Hörer zufrieden auf. Er hatte den Code, der ihm die geheimnisvolle Kassette öffnen sollte: 12.10.57.
    Früher als vereinbart erschien Gropius am folgenden Tag in dem Lokal, das Francesca Colella für ihn auf einem Zettel notiert hatte. Es befand sich unter den S-Bahn-Bögen in der Friedrichstraße, umgeben von zahllosen Antiquitätengeschäften unterschiedlicher Qualität. Man kann hier antiquarische Bücher und Zeitschriften und alte Möbelbeschläge erstehen, aber auch kostbare Jugendstillampen, alte Gemälde, historisches Reisegepäck und ebensolche Golfutensilien.
    Unter normalen Umständen hätte Gropius einen halben Tag hier verbracht, er liebte Antiquitäten jeder Art, so aber zog er es vor, sich durchzufragen, bis er endlich fündig wurde. Das Lokal, ein beliebter Szenetreff, war von besonderer Originalität. An den Wänden, ja sogar an der Decke, hingen unzählige alte Spiegel und Reklameschilder, die an ›Nivea‹, ›Persil‹, ›Maggi‹ und ›4711‹ erinnerten. Weiße Kugellampen aus der vorletzten Jahrhundertwende warfen gedämpftes Licht auf altmodische Tische und Stühle. Bärtige und eigenwillig gekleidete Männer, an denen die Zeit deutliche Spuren hinterlassen hatte, plauderten lautstark, als hätten sie Wichtiges zu verkünden, mit auffallend hübschen Mädchen, die hier als Verkäuferinnen tätig waren, über günstige Neuerwerbungen oder gute Geschäfte. Es roch nach kaltem Rauch und nach Knoblauch, der den Buletten, für die das Lokal berühmt war, die richtige Würze gab.
    An einem länglichen, blanken Tisch in der hintersten Reihe nahm Gropius Platz und bestellte Berliner Weiße mit Schuss, grün natürlich. Er wunderte sich, warum die Italienerin ausgerechnet dieses Lokal ausgewählt hatte, ein Lokal, das im Minutenabstand, wenn über den Bögen die S-Bahnen hinwegdonnerten, von einem Erdbeben der Stärke 4 bis 5 erschüttert wurde; doch das schien jene, die ihre Tage hier verbrachten, nicht zu stören. Überhaupt war ihm Francesca Colella ein Rätsel. Ihr Auftreten nötigte ihm in gewisser Weise Respekt ab; denn während er sich in seiner Rolle höchst unwohl fühlte und sein Misstrauen gegenüber einer wildfremden Person, die da in sein Privatleben eindrang, zügeln musste, schien die Italienerin geübt in solchen Situationen. Sie zeigte die Gelassenheit eines Briefträgers, den der Inhalt seiner Post nicht im Geringsten interessiert. Dabei wusste sie vermutlich genau, was sie in ihrem Koffer spazieren trug, und sicher war dies nicht ihr erster Auftrag. Gropius fragte sich sogar, ob die Signora wirklich für das Werttransportunternehmen tätig war und ob sie nicht doch mit Professore de Luca in engerer Verbindung stand.
    Der Name des Professore im Kalender Schlesingers war der einzige Hinweis, den er hatte. Offenbar gab es eine Vereinbarung zwischen de Luca und

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