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Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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nicht. Professore de Luca hat mich nur für diesen Job engagiert. Ich bin Angestellte von VIGILANZA, einer Sicherheitsfirma in Turin, die sich mit dem Transport von Kunstgegenständen und Antiquitäten beschäftigt.«
    Unwillkürlich wanderten Gropius' Blicke von ihrem linken Handgelenk zu ihrem stattlichen Busen, der unter einem schwarzen Blazer mühsam gebändigt wurde, und er fragte sich, ob man darunter die Großzügigkeit der Schöpfung oder eine großkalibrige Pistole vermuten durfte. »Ach so ist das«, erwiderte Gropius und hatte Mühe, seine Enttäuschung zu verbergen. Antiquitäten und Kunstgegenstände also. Was lag näher, als dass Schlesinger seinen geheimen Reichtum mit dem Schmuggel wertvoller Ausgrabungen erworben hatte. Vermutlich war der Fall Schlesinger doch nicht sein Fall.
    »Sie wollen sicher zuerst die Ware sehen«, sagte Francesca Colella wie selbstverständlich, und Gropius antwortete verwirrt: »Ja natürlich.«
    »Gibt es einen Raum, wo wir ungestört sind? Wohnen Sie hier im Hotel?«
    »Ja«, erwiderte Gropius verdutzt.
    »Also, worauf warten wir noch!« Die Signora erhob sich.
    Gropius war nicht wohl bei der Sache, er fühlte sich in Hinterlist und Betrug verstrickt, und die selbstbewusste Italienerin schien ihm nicht geheuer. Er hatte gehofft, etwas über Schlesinger in Erfahrung zu bringen, nun wurde er, wie es schien, in einen miesen kleinen Antiquitätenschmuggel verwickelt. Aber er hatte das Spiel nun einmal begonnen, jetzt musste er es auf irgendeine Weise zu Ende bringen.
    Schweigend durchquerten sie die Halle zu den rechter Hand gelegenen Lifts und fuhren in den fünften Stock. In Gropius' Zimmer angelangt, befreite sich Francesca mithilfe eines Schlüssels von dem angeketteten Aktenkoffer und stellte diesen auf den Schreibtisch vor dem Fenster.
    »Sie haben das Geld?«, erkundigte sich die Signora.
    »Wie viel?«, gab Gropius trocken zurück.
    »Wie vereinbart: zwanzigtausend!«
    Gropius zuckte unmerklich zusammen; aber der kurze Augenblick genügte, um mit einem Pokerface eine unverschämte Antwort zu formulieren: »Sagen wir zehntausend!«
    »Das ist gegen die Abmachung!«, entgegnete Francesca heftig, und ihre dunklen Augen hinter den randlosen Gläsern funkelten bedrohlich. »Ich habe Order, die Ware nur gegen zwanzigtausend Euro auszuhändigen, ich dachte, die Sache sei klar.«
    Auf Gropius wirkte die Situation ziemlich grotesk. Da pokerte er um ein Objekt, das er nie gesehen hatte und dessen Wert er überhaupt nicht kannte. Und das alles nur aufgrund eines Eintrags in Schlesingers Terminkalender.
    Der Professor konnte seine Neugierde, was die Italienerin in ihrem Sicherheitskoffer herumtrug, kaum zügeln, und in ihrem eigenen Jargon richtete er an sie die Frage: »Darf ich die Ware einmal sehen?«
    Nun war Gropius ungeübt in der Abwicklung dunkler Geschäfte, und er hätte erwartet, dass die kühle Signora sich zieren würde: Erst das Geld, dann die Ware oder so ähnlich. Deshalb versetzte ihn Francescas Antwort in Erstaunen. Sie sagte: »Aber selbstverständlich, Sie sollen schließlich nicht die Katze im Sack kaufen!«
    Mit einem zweiten Schlüssel öffnete Francesca Colella die Schnappschlösser des Koffers. Im Gegensatz zu Gropius zeigte sie dabei nicht das geringste Anzeichen von Aufgeregtheit. Im Koffer kam eine Kassette aus mattem Metall zum Vorschein, etwa zwanzig mal dreißig Zentimeter, einer Geldbombe nicht unähnlich, wie sie in Banken Verwendung finden. Verschlossen war die Kassette mit einem sechsstelligen Zahlenschloss, das an die schmale Vorderseite eingelassen war. Gropius sah die Signora fragend an.
    »Der Zahlencode ist auf das Geburtsdatum von Signor Schlesinger eingestellt, zur Sicherheit sozusagen. Auf diese Weise habe nicht einmal ich Zugang zu dem wertvollen Inhalt. Sie kennen doch das Geburtsdatum Ihres cognato ?« Die Signora lächelte verschmitzt.
    »Ja, das heißt nein, jedenfalls nicht genau«, stammelte Gropius herum, der sich überfahren fühlte und zutiefst verunsichert, ja, er begann zum ersten Mal zu zweifeln, ob er seinem Vorhaben, den Fall Schlesinger allein und ohne fremde Hilfe zu lösen, überhaupt gewachsen war. Irgendwie erinnerte ihn das alles an die Vorgänge zu Hause, bei denen sich ebenfalls Merkwürdigkeit an Merkwürdigkeit reihte. Aber, so sagte ihm eine innere Stimme, war nicht gerade das der Beweis, dass all diese Ereignisse in einem Zusammenhang standen?
    Unschlüssig standen sich Gropius und die Italienerin gegenüber.

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