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Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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ich heiße Carl –, hier trage ich ein halbes Haus spazieren.«
    »So teuer?«, Gropius tat erstaunt.
    Der Butler Carl winkte ab. »Nun traf es ja keinen Armen, Herr Beck konnte sich eine neue Leber leisten. Aber einer wie ich würde elend zugrunde gehen. So ist das Leben.« Carl machte Anstalten, seine Arbeit wieder aufzunehmen. »Sie entschuldigen mich!«
    »Wissen Sie, wo Herr Beck operiert wurde?«, fragte Gropius nach.
    Der Butler blieb stehen, drehte sich um und sah Gropius misstrauisch an. »Warum wollen Sie das wissen?«
    »Es interessiert mich eben, nichts weiter.«
    Der gerade noch so freundliche Mann legte den Kopf in den Nacken, senkte die Augenlider und antwortete abweisend: »Mein Herr, ich bin nicht berechtigt, über die Privatangelegenheiten von Herrn Beck Auskunft zu geben. Ich habe schon zu viel gesagt. Und jetzt ersuche ich Sie dringend, das Grundstück zu verlassen.«
    »Schon gut«, meinte Gropius beschwichtigend, »ist ja auch nicht so wichtig.«
    Gropius wandte sich um und ging. Er hatte genug gehört – sogar mehr als genug. Veronique war ein geldgieriges Frauenzimmer.
    Gereizte Stimmung bei der Sonderkommission in der Bayerstraße. Ingrams Büro glich dem verstaubten Archiv eines Privatgelehrten. In der Ecke ein Gummibaum, Kakteen vor dem Fenster. Akten, Zeichnungen, Pläne und Papiere, die sie aus Schlesingers Arbeitszimmer mitgenommen hatten, insgesamt 74 Einzelposten, lagen über Tische und Fußboden verstreut oder waren mit Reißzwecken an Wände und Schränke geheftet. Darunter ein Zeitungsausschnitt mit der Schlagzeile: ›Mysteriöser Todesfall in Uniklinik‹. Ein halbes Dutzend erwachsener Männer versuchte, zum Teil halblaut, unverständliche Texte murmelnd, irgendetwas aus dem Wust von Papier zu erfahren, das Antwort auf die Frage gab: Warum war Arno Schlesinger auf so ungewöhnliche Weise umgebracht worden?
    Wolf Ingram, der Leiter der Soko Schlesinger, verschwand beinahe hinter den Bergen von Papier, die sich auf seinem Schreibtisch türmten. Er war äußerst schlecht gelaunt und überdies zu der Erkenntnis gelangt, dass diese Papiere sie keinen Schritt weiterbrachten. Im Übrigen hätte die Sichtung der beschlagnahmten Akten dringend eines Fachmanns bedurft, der vermeintliche Kürzel oder Codes wie Jabrud oder Kara Tepe als harmlose Ausgrabungsstätten identifiziert und ihnen viel Rätselraten erspart hätte. Dass Schlesinger bei verschiedenen naturwissenschaftlichen Instituten Fundanalysen in Auftrag gegeben hatte, machte den Altertumsforscher auch nicht gerade verdächtig. Und so beschränkte sich Ingram darauf, aus dem Wust von Akten ein geografisches Profil zu erstellen, in dem Schlesinger sich bewegt hatte.
    Es war also der denkbar ungünstigste Zeitpunkt, als Staatsanwalt Markus Renner im zweireihigen dunklen Mantel, in der Hand einen schwarzen Aktenkoffer, die Sonderkommission heimsuchte, um sich über den letzten Stand der Ermittlungen zu erkundigen. »Der Innenminister hat einen Zwischenbericht angefordert!«, sagte er mit einem gewissen Stolz. Dabei blitzten die randlosen Gläser seiner Brille bedrohlich.
    »So, hat er das!«, knurrte Ingram verstimmt. »Dann sagen Sie dem Herrn Minister, wir hätten Hinweise auf vier Schädelfragmente eines Menschen gefunden!«
    Der junge Staatsanwalt machte ein interessiertes Gesicht. »Schädelfragmente, das ist ja ungeheuerlich!«
    »Hier, sehen Sie!« Unwillig fächelte Ingram mit einem Bogen Papier vor Renners Nase herum. »Der Mensch, von dem die Schädelfragmente stammen, lebte in Galiläa und gehörte zu den Paläanthropinen, weist jedoch bereits Merkmale der Neanthropinen auf. Schlesinger beschäftigte sich mit der Frage, ob der ursprüngliche Besitzer des Schädels eher ein Neandertaler oder schon ein Homo sapiens war. Den Schädel kann er übrigens im Archäologischen Museum in Jerusalem sehen, der Herr Minister!«
    Die Männer der Soko brachen in lautes Gelächter aus, und Renner bekam einen roten Kopf. Mit Tadel in der Stimme bemerkte er: »Meine Herren, ich hielte es für angebracht, wenn Sie mit mehr Ernst an die Sache herangingen. Es geht nicht nur um Mord. Sollte sich erweisen, dass Schlesinger in ein Terrornetzwerk verstrickt war, und wir haben nur einseitig ermittelt, so sind Sie und ich unsere Jobs los.«
    Da baute sich Ingram mit seinen hundert Kilogramm Lebendgewicht vor Renner auf, und mit vor der Brust verschränkten Armen sagte er: »Herr Staatsanwalt! Ich hatte in den letzten Tagen mehr mit alten Knochen

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