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Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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er sich in den alten japanischen Geländewagen, den ihm Veronique gelassen hatte, und fuhr auf der Autobahn in Richtung Süden. Der Spätherbst besann sich noch einmal eines Besseren und ließ die Bergkette der Alpen leuchten. Nach zehn Minuten Fahrt verließ Gropius die Autobahn, quälte sich durch den Stau in dem viel befahrenen Ort, in dem mehr Millionäre zu Hause sind als in jeder anderen deutschen Stadt, und fand nach kurzem Suchen den Wiesensteig, eine vornehme Straße mit prachtvollen Landhäusern, und gleich am Anfang das Haus Nr. 2.
    Das hohe Eingangstor aus Schmiedeeisen stand offen, und auf dem Rasen, der das einstöckige Haus, unterbrochen von Hecken und niedrigen Bäumen, umgab, war ein ältlicher vornehm gekleideter Butler damit beschäftigt, die weißen Gartenmöbel einzusammeln und vor dem Kellereingang zu stapeln. In der Einfahrt parkte ein flaschengrüner Bentley Azure, ein Fahrzeug, das selbst in diesem Ort bewundernde Blicke auf sich zog.
    Auch Gropius fand an dem schweren Wagen Gefallen, und so bemerkte er nicht, dass der Besitzer von hinten an ihn herantrat: »Sie gestatten!«
    Der Professor erschrak beim Anblick des Mannes, bei dem es sich fraglos um Beck handeln musste. Er erschrak, weil er sich einen sportlichen jungen Mann vorgestellt hatte, noch dazu ein paar Jahre jünger als er. Doch hier stand ihm ein früh gealterter, verhärmter Mann mit spärlichem Haarkranz, zerfurchtem Gesicht und eingefallenem Brustkorb gegenüber, ein Mann gezeichnet von einem schweren Leberleiden. Er schenkte ihm keine Beachtung und lud seinen Golf-Bag auf die Rückbank des Bentley, als Gropius ihn anredete: »Herr Beck? – Mein Name ist Gregor Gropius.«
    Beck erstarrte in seiner Bewegung, es dauerte einen langen Augenblick, bis er aus der offenen Tür seines Wagens emportauchte und ungehalten die Frage stellte: »Ja und?«
    Erst jetzt kam Gropius in den Sinn, dass er auf das Gespräch mit dem Liebhaber seiner Frau in keiner Weise vorbereitet war, und so erwiderte er ebenso unpassend wie hilflos: »Ich hatte das Vergnügen, Ihnen meine Frau zu überlassen.«
    »Ach«, antwortete Beck und musterte Gropius vom Scheitel bis zur Sohle. »Die hätten Sie besser behalten sollen, wirklich!« Unbeeindruckt schlug er die Beifahrertür zu und ging auf die andere Seite des Fahrzeugs.
    Gropius meinte verdutzt: »Ich verstehe Sie nicht.«
    »Was gibt es da zu verstehen?«, entgegnete Beck grimmig. »Es ist aus. Und nicht erst seit gestern!« Dann brach es auf einmal aus ihm heraus: »Als es mir dreckig ging, als die Ärzte mir noch ein knappes halbes Jahr gaben, da mimte Veronique die große Liebe. Leider begriff ich viel zu spät, dass sie nur auf mein Erbe aus war. Vielleicht hätte ich öfter in den Spiegel schauen sollen, dann wäre mir klar geworden, dass sie nicht mich, sondern nur mein Geld wollte. Als dann mein neues Leben begann, war schnell Schluss mit der Liebe …«
    »Was meinen Sie damit: Als Ihr neues Leben begann?«
    Beck zuckte zusammen, dann meinte er schnodderig: »Ich wüsste nicht, was Sie das angeht. Wir haben nicht das Geringste miteinander zu tun. Halten Sie mich nicht auf, ich muss zum Golf!«
    Gropius konnte sich gut vorstellen, wie peinlich Beck das unerwartete Zusammentreffen war. Er nahm es ihm nicht einmal übel, als dieser grußlos in seinen Bentley einstieg und mit aufheulendem Motor davonfuhr. Autos müssen häufig für die Leiden frustrierter Männer herhalten.
    Im Garten des Hauses hantierte noch immer der Butler. Er hatte die Begegnung aus der Ferne verfolgt, ohne zu hören, worum es ging. In der Hoffnung, von ihm mehr über seinen Herrn zu erfahren, trat Gropius auf den Alten zu und begann ein nichtssagendes Gespräch. Der Butler antwortete pflichtbewusst höflich, bis er schließlich fragte: »Sie sind mit Herrn Beck bekannt?«
    »Ja, über eine gemeinsame Bekannte. Wie ich höre, geht es ihm jetzt wieder gut, ich meine gesundheitlich!«
    »Gott sei Dank! Es war ein Jammer, mitansehen zu müssen, wie Herr Beck von Tag zu Tag mehr abbaute.«
    »Die Leber, nicht wahr?«
    Der Butler nickte gedankenschwer und sagte, den Blick auf den Boden gerichtet: »Eine schwere Operation, aber alles ist gut gegangen, Herr Beck ist ja noch jung.«
    »Und teuer!«
    »Wie meinen?«
    »Nun ja, nicht nur eine schwere Operation, auch eine teure.«
    Da lachte der Butler, legte die flache Hand auf den Bauch und sagte: »Herr Beck pflegt immer mit der Hand auf den Bauch zu klatschen und zu sagen, Carl –

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